392 Reichsgesetzblatt — Reichsgesetze
zu in Fällen des Hochverrats und des Landes- # eines anderen Zivilsenats oder der vereinigten
verrats, insofern diese Verbrechen gegen den Zivilsenate, oder ein Strafsenat von der Ent-
Kaiser oder das Reich gerichtet sind, sowie in scheidung eines anderen Strafsenats oder der
den Fällen der in den §§ 1, 3 des G. gegen den vereinigten Strafsenate abweichen, so ist über
Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juli die streitige Rechtsfrage im ersteren Falle eine
1893 (RöeBl. 205) vorgesehenen Verbrechen. Entscheidung der vereinigten Zivilsenate, im
Hierbei hat der erste Strafsenat diejenigen von letzteren eine solche der vereinigten Strafsenate
der Voruntersuchung und deren Ergebnissen einzuholen. Einer Entscheidung der Rechts-
handelnden Entscheidungen zu treffen, welche frage durch das Plenum bedarf es, wenn ein
nach den Vorschriften der StPO. von dem Ge= Zivilsenat von der Entscheidung eines Straf-
richte zu erlassen sind. Das Hauptverfahren findet senats oder der vereinigten Strafsenate, oder
vor dem vereinigten zweiten und dritten Straf= ein Strafsenat von der Entscheidung eines
senate statt (GVG. §§ 136 Abs. 1 Ziff. 1, 138;| Zivilsenats oder der vereinigten Zivilsenate,
G. vom 3. Juli 1893 § 12). Der Untersuchungs= oder ein Senat von der früher eingeholten
richter wird für jede Strafsache aus der Zahl der Entscheidung des Plenums abweichen will. Die
Mitglieder durch den Präsidenten bestellt. Der abweichende Rechtsansicht muß die Grundlage
Präsident kann indessen auch jedes Mitglied der früheren Entscheidung gebildet haben; ge-
eines anderen deutschen Gerichts und jeden legentliche Bemerkungen sind nicht ausreichend
Amtsrichter zum Untersuchungsrichter oder für (RG#. 26 S. 431, 433; 31 S. 153, 154; 44, 263;
einen Teil der Geschäfte des Untersuchungs= 63, 46; Rö St. 39, 248). Die Entscheidung der
richters zu dessen Vertreter bestellen (St PO. Rechtsfrage durch die vereinigten Senate oder
8 184). das Plenum ist in der zu entscheidenden Sache
IV. Ferner entscheidet das R. in letzter bindend. Sie erfolgt in allen Fällen ohne vor-
Instanz über Beschwerden wegen Verweige= gängige mündliche Verhandlung (GVG. §F 137;
rung der Rechtshilfe in den durch Reichsgesetz FGM#. § 30 Abs. 2; GB0. § 81 Abs. 2). Behufs
den Gerichten übertragenen Angelegenheiten einer Kontrolle der Notwendigkeit von Ent-
der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbar= scheidungen der vorstehenden Art sind nach der
keit sowie wegen Ablehnung von Gesuchen, Geschäftsordnung (§ 23) besondere Präjudizien-
welche von den zur Ausübung der Militärstraf= bücher zu führen. «
gerichtsbarkeitberufenenStellenandiebürger-Vl.DieEntscheidungendes«R.
liebenGericl)teergehen(GVG.§160;FGG.§2;werdeninzweiSammlungemjenachdemcg
EGMStGQvomLDez.1898—RGBl.1189-—FsichumZivilfachenoderumStrafsacl)cnhan-
8 12 Abs. 3). Es ist weiter Berufungsinstanz für delt, von Mitgliedern des Gerichtshofs und der
Entscheidungen des Patentamts in dem Ver- Reichsanwaltschaft herausgegeben (RGZ. und
fahren wegen der Erklärung der Nichtigkeit RGSt.) und sonst vielfach veröffentlicht, so
oder wegen Zurücknahme eines Patentes (Patent= in der Juristischen Wochenschrift, dem Recht,
gesetz vom 7. April 1891 — RBl. 79 — § 33; der Deutschen Juristen = Zeitung, Sörgel,
V., betr. das Berufungsverfahren beim R. in Rechtsprechung, und Warneyer, Jahrbuch.
Patentsachen, vom 6. Dez. 1891 — RBl. 389). Systematische Sammlungen solcher Entschei-
Aus den Mitgliedern des R. müssen der dungen sind z. B. die von Fuchsberger
Präsident und mindestens fünf Mitglieder des und Neumann sowie v. Kamptz und De-
Disziplinarhofs für Reichsbeamte, welcher am 1 lius, Die Rechtsprechung des Reichs= und des
Sitze des R. zusammentritt, entnommen wer-= Kammergerichts auf den Gebieten des öffent-
den (RBG. — RGl. 1907, 245 — §8 87 Abs. 3, lichen Rechts. Von Reichsgerichtsräten ist ein
91 Abs. 1; G. vom 16. Juni 1879 — RGBl. 157). Kommentar zum B#B. herausgegeben.
Der Vorsitzende und die Mitglieder der Ver- n Scch "16 6. ustg e n; e Recht-
waltung des Reichsinvalidenfonds haben vor rhung W. MMslGßpßßißb.–e"c
dem Antritt ihres Amtes in öffentlicher Sitzung 1 eesten 3 Nolrre des Reichsgerichts, Bellageheft zum Sächs
des R. den Diensteid zu leisten (G., betr. die! Reichsgesetzblatt. Das R. ist auf Grund
Gründung und Verwaltung des Reichsinvaliden= des Art. 2 der Verfassung des Norddeutschen
fonds, vom 23. Mai 1873 — RGBl. 117 — § 12; Bundes zur Verkündung der Bundesgesetze so-
G. vom 16. Juni 1879 — R#Bl. 157). Für wie der Anordnungen und Verfügungen des
einzelne Bundesstaaten außer Preußen hat das Bundespräsidiums, jetzt des Kaisers (Art. 17)
R. noch besondere Obliegenheiten (Es#GW#. durch V. vom 26. Juli 1867 (BGBl. 24) als
§s 11; V. vom 28. Sept. 1879 — RBl. 298; „Bundesgesetzblatt für den Norddeutschen Bund“
G. vom 14. März 1881 — RBl. 37; V. vom begründet worden und führt seit Erlaß der
30. Okt. 1907 — RBl. 741). Reichsverfassung (s. Art. 2) den Namen Reichs-
Wegen seiner Zuständigkeit in Angelegen= gesetzblatt (s. auch Veröffentlichung
heiten, für welche besondere Gerichte zugelassen der Gesetze und Zentralblatt für
sind, sowie in Konsulargerichtsbarkeitssachen, das Deutsche Reich).
in Disziplinarsachen und in Beziehung auf die Reichsgesetze. I. R. sind die von der gesetz-
Rechtsanwaltschaft s. die Art. hierüber. gebenden Gewalt des Deutschen Reichs für
V. Von besonderer Bedeutung ist die zur dieses erlassenen gesetzlichen Bestimmungen. In-
Wahrnehmung einer möglichsten Einheit dem die Reichsverfassung (Art. 4) eine Reihe
der Rechtsprechung tvrotz der Einteilung von Gegenständen der Beaufsichtigung und Ge-
in selbständige Abteilungen (Senate) getrofsen setzgebung des Reichs zugeteilt hat, hat sie damit
Einrichtung der Entscheidungen vereinigter Se- den Kompetenzkreis der Reichsgesetzgebung gegen-
nate oder des Plenums. Will nämlich in einer über der Gesetzgebung der einzelnen Bundes-
Rechtsfrage ein Zivilsenat von der Entscheidung staaten abgegrenzt. Auch die Feststellung des