Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 20.) 89
Die Bürger sind überall in Bürgerrollen einzutragen. Inwiefern über die Er-
langung des Bürgerrechts von dem Magistrat eine Urkunde (Bürgerbrief) zu erteilen ist,
bleibt ortsstatutarischer Anordnung vorbehalten.
II. Der Verlust des Bürgerrechts tritt ein, sobald eines der zur Erlangung des-
selben vorgeschriebenen Erfordernisse bei dem bisher Berechtigten fortfällt. Außer diesem
gänzlichen dauernden Verluste des Bürgerrechts kennen die Städteordnungen noch einen
zeitweiligen Verlust und ein Ruhen des Bürgerrechts.! Letzteres besteht ledig-
lich in der Suspension? der dem Bürger als solchem zustehenden Rechte; nach Ablauf der
Ruhezeit tritt für den Betroffenen der frühere Zustand in vollem Umfange wieder ein, und
er ist besonders auch befugt, eine städtische Stelle, die er vorher etwa bekleidete, ohne
weiteres wieder zu versehen. Der zeitweilige Verlust dagegen, in den Städteordnungen
inkorrekt Ausschließung des Bürgers von der Ausübung des Bürgerrechts genannt s, be-
wirkt einen wirklichen Verlust des Bürgerrechts und damit auch der städtischen Ehren-
ämter. Daher giebt auch hier das bloße Aufleben des Bürgerrechts nach Ablauf der
betreffenden Zeit dem Bürger nicht das Recht, die ihm früher durch besondere Wahlen
übertragenen, inzwischen verlorenen Amter ohne weiteres wieder zu verwalten.
Ein solches Ruhen des Bürgerrechts tritt ein:
a) für denjenigen Bürger, gegen welchen wegen eines Verbrechens oder eines Ver-
gehens, das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, das
Hauptverfahren eröffnet", oder die Anklage erhoben, oder die Verhaftung verhängt ist,
bis zur Beendigung des Strafverfahrens;
b) für den dem Beurlaubtenstande angehörigen Bürger während der Zeit seiner
Einberufung zum aktiven Heere.“
Ein zeitweiliger Verlust des Bürgerrechts tritt ein:
a) für denjenigen, dem durch rechtskräftiges Urteil die bürgerlichen Ehrenrechte ab-
erkannt sind, während der im Urteile bestimmten Zeits;
Regierung dem §. 13 der R. Gew. O. gegeben
hat, bei Landmann, Die Gewerbeordnung
für das Deutsche Reich, S. 49, 50; Leidig,
S. 50 zu b und Anm. 2; Srtel, S. 13s,
Anm. 8: v. Marcinoweki, S. 49, Anm. 85;
and. Ans. Bornhack, Preuß. Staatsr., II, S.
126, Anm. 4. Er nimmt an, S§. 13 setze einen be-
sonderen Erwerbsakt voraus, indem er von einer
Berpflichtung zum Erwerbe des Bürgerrechts
auf Verlangen der Gemeindebehörde spreche, er
nne daber nur auf diejenigen Gemeindeord-
nungen Einfluß haben, welche, wie z. B. die
St. O. bann., einen besonderen Erwerbsakt
kennen und die Bürgerrechtseigenschaft nicht
unter gewissen Voraussetzungen von selbst ein-
treten lassen. Nach den oben S. 86 unter 7 a,
d und e
noch der Betrieb eines stehenden Gewerbes wäh-
rend eines Jahres den Erwerb des Bürgerrechts
ipso jure nach sich ziehen. Diese Auffassung
entspricht nicht dem Sinne des §. 13. Ohne
Unterschied in Bezug auf die verschiedenen in
Deutschland bestehenden Arten der Erwerbung
des Bürgerrechts will die R. Gew. O. vor-
schreiben, daß von keinem Gewerbetreibenden das
Bürgerrecht wider seinen Willen, sei es ipso
jure, sei es durch einen besonderen Aufnahme-
akt, vor drei Jahren nach Beginn des Gewerbe-
betriebes wegen dieses Gewerbebetriebes er-
worben werden soll, und daß nach Ablauf
dieser Frist bei Eintritt des Bürgerrechts ein
Bürgerrechtsgeld von dem Gewerbetreibenden
nicht erhoben werden darf. Vgl. auch Mar-
enannten St. Ordugn. soll auch jetzt
cinowski, Komm. z. R. Gew. O. (3. Aufl.,
Berlin 1884), S. 89, Anm.
1 St. O. ö., wiesb., w. u. rh., §. 7; schlesw.=
holst., 88. 12—14; frkf., §§. 19—21.
:* Vgl. die Citate der vorangehenden Anm.
u. St. O. ö., wiesb., w., §. 75, Abs. 1; rh.,
§. 80, Abfl. 1.
Richtig die Ausdrucksweise der St. O.
wiesb., S. 7, Abs. 1: „verliert für die im Ur-
teile bestimmte Zeit das Bürgerrecht über-
haupt und die Fähigkeit, dasselbe zu erwerben“.
* Der früheren Erzffnung der Untersuchung
und der Versetzung in den Anklagezustand
entspricht heute der Beschluß auf Eröffnung des
Haupwersaheene (R. Str. P. O., §8§. 196 ff.),
O. V. G., XVIII, S. 1 fl.
„ Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874 (R. G.
Bl., S. 45), §. 38Bj; M. Erl. v. 14. Dez. 1864
u. v. 9. Okt. 1866 (V. M. Bl. 1865, S. 2, u.
1866, S. 214); Leidig, S. 3 jedoch auch S.
250, letzter Teil der ersten Anm.
* Seine nähere Ausführung erhält dieser all-
Freine Satz, durch §§. 31—36 des R. Str. G.
u. §§. 196 ff. der R. Str. P. O. Die Bor-
schriften dieser Reichsgesetze sind, auf das Ge-
meinderecht angewandt, wiedergegeben in der
St. O. wiesb., §. 7, u. in der L. G. O. . u.
schlesw.-holst., g. 43: „Wer durch rechtskräftiges
Erkenntnis der bürgerlichen Rechte verlustig ge-
gangen ist, verliert dadurch dic bisher von ihm
ekleideten Amter in der Gemeindeverwaltung
und der Gemeindevertretung und für die im
Urteile bestimmte Zeit das Gemeindestimm- und