Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 21.) 91 
große Anzahl von Kindern) von der Verpflichtung zur Übernahme des Amtes ent- 
binden. 
Lehnt ein Bürger ohne anerkannten Entschuldigungsgrund die Wahl zu einer 
städtischen Stelle ab, oder legt er die ihm übertragene Verwaltung vor Ablauf der 
Dienstzeit nieder, oder entzieht er sich ihr thatsächlich, so wird er straffällig. Die 
Strafen bestehen, ebenso wie nach der Städteordnung von 1808, in Ehrenstrafen und 
vermögensrechtlichen Nachteilen. Der Ungehorsame kann der Ausübung des Bürger- 
rechts auf drei bis sechs Jahre verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel 
stärker als die anderen Bürger zu den direkten Gemeindeabgaben herangezogen werden, 
und zwar ist es zulässig, die Strafarten sowohl einzeln wie kumulativ in Anwendung 
zu bringen.? Über das Vorhandensein eines Entschuldigungsgrundes und die eventuell 
zu verhängende Strafe beschließt die Gemeindevertretung, vorbehaltlich der sowohl dem 
Betroffenen wie dem Stadtvorstande binnen zwei Wochen zustehenden Klage beim 
Bezirksausschuß.) 
IV. Auf Beschwerden und Einsprüche betreffend den Besitz oder den Verlust des 
Bürgerrechts, insbesondere des Rechtes zur Teilnahme an den Wahlen zur Stadt- 
verwaltung, sowie des Rechtes zur Bekleidung einer den Besitz des Bürgerrechts voraus- 
setzenden Stelle in der Stadtverwaltung oder Stadtvertretung beschließt die letztere. 
Gegen ihren Beschluß findet binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren 
bei dem Bezirksausschuß statt. Diese kann von dem direkt Betroffenen wie auch von 
dem Stadtvorstande angestellt werden und hat keine ausschiebende Wirkung." 
8. 21. 
3) Die Bürgergemeinde im besonderen. 
a) Das Bürgerrecht in Kurhessen und Nassau. 
I. Die kurhessische und die nassauische Gemeindeordnung 5 beruhen, wie bereits 
erwähnt, noch vollständig auf dem Prinzip der geschlossenen Bürgergemeinde und des 
Heimatsrechts. Letzteres hat zwar auch für diese Rechtsgebiete seinen wesentlichsten 
Inhalt, das Recht auf Armenunterstützung, das Recht des dauernden Aufenthaltes, des 
Gewerbebetriebes und der Verehelichung innerhalb der Gemeinde", verloren, von Be- 
deutung ist es aber insofern geblieben, als es ein Recht auf die Benutzung der Gemeinde- 
anstalten" und einen Anspruch auf leichteren Erwerb des zur Teilnahme an den Gemeinde- 
  
1 Eine Ablehnung ist erst dann straffällig, * Zust. G., §. 10, Z. 1, 9§. 11 u. 21. Die 
wenn sie erfolgt, nachdem die bestimmte Willens- 
äußerung der berufenen Stelle vorliegt, dem 
betr. Gemeindemitgliede ein bestimmtes Amt zu 
übertragen. Eine im Laufe etwa vorangehen- 
der Unterhandlungen abgegebene ablehnende 
Erklärung ist verfrüht und ohne Straffolgen. 
O. B. G., XII, S. 6. 
Die Nachteile können auch über den Zeit- 
punkt ausgedehnt werden, mit welchem der 
Betroffene das Alter von 60 Jahren erreicht. 
O. V. G., XIII, S. 214. 
2 Zust. G., §. 10, Z. 3. Die Zurückziehung 
der Ablehnungserklärung im Verwaltungsstreit- 
verfahren hat keine Wirkung mehr auf die Ver- 
hängung der Strafe. Das Verwaltungsstreit- 
verfahren hat es lediglich mit der Frage zu 
thun, ob der Beschluß der Stadtverordneten 
z. Z. seiner Abfassung dem Gesetze entsprach; 
für diese Frage ist eine spätere Sinnesänderung 
des Klägers aber ohne Bedeutung. O. V. G., 
XIII, S. 213. 
  
übrigen in §. 10, Z. 1 bezeichneten in Beziehung 
auf das Bürgerrecht entstehenden Streitigkeits- 
fälle, „die Verpflichtung zum Erwerbe des Bürger- 
rechts u. s. w.“, kommen für die hier besproche- 
nen St. Ordugn. nicht in Betracht, sondern 
nur für das Gebiet der Bürgergemeinde, in 
welchem das Bürgerrecht mittels besonderen 
Aktes erworben wird. Beklagte im Streitver- 
fahren ist allein die Stadtvertretung, nicht der 
Stadtvorstand. O. V. G., XV, S. 32. 
5* Ebenso die hohenzollernschen Gemeinde- 
gesetze. Siehe unten S. 95, Anm. 6. 
"* G. O. kurh., §. 9; G. G. nass., §. 68, 
Z. 1, 5—7. 
7 G. O. kurh., §. 9 am Ende; G. G. nass., 
§. 68, Z. 1. Zur Benutzung der Gemeinde- 
anstalten müssen aber auch nicht beimatsberech- 
tigte Personen, die sich länger als drei Monate 
in der Gemeinde aufhalten und gemäß F. 8 des 
R. G. v. 1. Nov. 1867 zu den Gemeindelasten 
berangezogen sind, zugelassen werden.
	        
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