Ortsgemeinben; bas geltende Recht. (§. 23.) 99
Diese gänzliche Befreiung der Militärpersonen von den Gemeindelasten findet heute
nirgends mehr statt — und das mit Recht, da auch ihnen zahlreiche Veranstaltungen
der Gemeinden ebenso wie jedem Gemeindeangehörigen schon durch ihr bloßes Bor-
handensein zu gute kommen. Alle Militärpersonen sind zu den auf den Grundbesitz
und das stehende Gewerbe gelegten Lasten verpflichtet, die im Offizierrange stehenden
außerdem noch zu einer Abgabe von ihrem Vermögen, welche aber von der Gemeinde-
einkommensteuer wesentlich verschieden und für das ganze Staatsgebiet einheitlich ge-
regelt ist.1
Im übrigen sind die in den einzelnen Gemeindeverfassungsgesetzen enthaltenen, die
Militärpersonen betreffenden Vorschriften noch heute geltendes Recht. Das Reichs-
militärgesetz hat im besonderen durch den Satz: „zur Annahme von Amtern in der
Verwaltung und Vertretung der politischen Gemeinden bedürfen aktive Militär-
personen der Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten“ 2, ausdrücklich anerkannt, daß aktive
Militärpersonen, sofern nicht Landesgesetze dagegen sind, bürgerliche Amter bekleiden und
also auch die Voraussetzung hierfür erfüllen, d. h. Bürger werden können.
II. Ebenso können die juristischen Personen — Korporationen und Anstalten —
nicht als Einwohner der Gemeinde, in welcher sie ihren Sitz haben, betrachtet werden,
und trotzdem werden sie in gewissem Umfange zur Tragung der städtischen Lasten heran-
gezogen. Singulärer Weise ist ihnen in den östlichen Provinzen, in Westfalen
und in dem Geltungsgebiete der Städteordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden
sogar das politische Recht, an den städtischen Wahlen teilzunehmen, zuerkannt, sofern
sie seit einem Jahre 3 in der Stadt an vdirekten Staats= wie an Gemeindesteuern mehr
als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner entrichtet haben.“
III. Den unter I und II genannten Personen, welche trotz ihres Wohnsitzes bezw.
Sitzes im Stadtbezirke nicht von der städtischen Gewalt in allen Beziehungen ergriffen
werden, stehen die Forensen, d. h. diejenigen Personen gegenüber, welche, ohne in dem
Stadtbezirke zu wohnen, in ihm Grundbesitz oder gewerbliche Betriebe haben. Sie
werden in gewissen Beziehungen als Angehörige der Stadt betrachtet, obgleich sie ihr
nicht durch Wohnsitz angehören: überall unterliegen sie der Besteuerungsgewalt der
Forensalstadt, und in den östlichen Provinzen, in Westfalen und in dem Geltungs-
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gemeinde stehen die servisberechtigten Militär-
personen des aktiven Dienststandes“, ist für
Hannover, auf welches er ihn auch anwenden
will, unrichtig. Aus den Worten des §. 31
cit.: „Jeder Bürger ist verbunden, städtische
Ehrenämter zu übernehmen. Ausgenommen
findn:z: 2) Militärpersonen im Dienst“,
folgt unzweifelhaft, daß Militärpersonen im
Dienst Bürger sein können. Dies giebt Leidig,
S. 75, VI, 2 selbst zu; G. G. nafs., §. 69, Z. 2;
dazu Bertram, S. 35, §. 69 und S. 38,
5. 76; G. O. kurh., §. 14, enthält „besondere
Bestimmung über die Gemeindeangehörigkeit
der Militärpersonen“.
1 Vgl. hierüber das Genauere unten §. 90
unter a.
2 R. Mil. G., S. 47.
2: O. B. G., XXVI, S. 21.
4 St. O. ö., w. u. wiesb., §. 8, Abs. 2. Die
betreffende jur. Person muß, um wahlberechtigt
zu sein, von jeder der beiden Steuerarten —
den Staats= wie den Gemeindesteuern — mehr
als der dritthöchst besteuerte Einwohner ent-
richten; es genügt nicht, wenn sie mit ihren
zusammengerechneten Beträgen an direkten
Staats= und Gemeindesteuern die gleichfalls
zusammengerechneten des betreffenden Höchst-
besteuerten Übersteigt. Hierfür spricht der Wort-
laut („sowohl — als") des Gesetzes wie die Ent-
stehungsgeschichte des §. 8 der St. O. ö.: Die
Kommission der Zweiten Kammer nahm absicht-
lich die jetzige Fassung an, um alle Zweifel zu
vermeiden, und verwarf die einfachere Fassung
des Entw.: „an direkten Steuern und Ge-
meindeabgaben“, als unklar. Vgl. O. V. G.,
XIV. S. 44. Wesentliche Voraussetzung ist
ferner, daß die jur. Person in dem angegebenen
Maße wirklich „besteuert“, d. h. zur Steuer
herangezogen wird. Zur Steuer herangezogen
wird aber nur der, gegen den eine Steuer-
forderung aufgestellt wird, nicht kann eine
Feststellung der Grundlagen für eine Beran-
lagung zur Steuer oder auch eine Veranlagung
selbst, welche nicht zu dem Zwecke erfolgt, um
darauf eine Steuerforderung zu gründen —
wie es beim Fiskus der Fall ist — eine Be-
steuerung genannt werden. Danach kann der
Fiskus, welcher keine Staatssteuern entrichtet,
nie wahlberechtigt sein. O. V. G., XIV, S.
49; XVII, S. 97. — Dagegen erscheint es für
die Wahlberechtigung einer jur. Person im Hin-
blick auf die ganz konforme Regelung des Wahl-
rechts der Forensen im §. 8, Abs. 1, a. a. O.,
und die im §. 4, Abs. 3, geregelte Steuner-
upflicht der jurist. Personen nicht erforderlich, daß
die jurist. Person in der betreffenden Stadt domi-
ziliert ist. O. V. G., XVIII, S. 96; Ortel,
Anm. 5 zu §. 8.
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