Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 26.) 107
I. In den alten Provinzen und Frankfurt a. M. führt der Magistrat über die
stimmfähigen Bürger! eine nach den Wahlabteilungen und, wo bezirksweise gewählt
wird, auch nach den Wahlbezirken? eingeteilte Liste, welche alljährlich vom 1. bis 15. Julis
berichtigt wird und ersichtlich macht, ob und in welcher Art bei den einzelnen Bürgern.
die Voraussetzungen der Wahlfähigkeit vorhanden sind. Diese Liste bildet die Grundlage
der Wahlen.“ Niemand darf zur Wahl zugelassen werden, der in die endgültig festgestellte
Liste nicht aufgenommen ist. Daher wird sie nach der durch den Stadtvorstand erfolgten
Berichtigung in einem oder mehreren zur öffentlichen Kenntnis gebrachten Lokalen 14 Tage
lang, vom 15. bis 30. Julis, offen ausgelegt, und während dieser Zeit kann jedes Mitglied
der Stadtgemeinde, ohne Rücksicht auf seine eigene Wahlfähigkeit, gegen ihre Richtigkeit
beim Stadtvorstande Einspruch erheben.“ Über den Einspruch faßt die Stadtverordneten-
versammlung Beschluß 7, und gegen diesen Beschluß steht demjenigen, der den Einspruch
erhoben hat, dem durch den Beschluß Betroffenen und dem Stadtvorstande binnen zwei
Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Bezirksausschuß s zu. Diese hat
jedoch keine aufschiebende Wirkung, und die Bürgerliste gilt daher durch den Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung so lange für endgültig festgestellt, bis durch rechtskräftige
Entscheidung der Verwaltungsgerichte ihre Abänderung angeordnet wird.? Soll der
Name eines einmal in die Liste Aufgenommenen wieder ausgestrichen werden, so muß
1 In diese Liste sind nur diejenigen Bürger
aufzunehmen, welche z. Z. der Auslegung derselben
bereits stimmberechtigt sind. Niemand ist daher
berechtigt, seine Aufnahme in diese Liste deshalb
zu verlangen, weil er z. Z. der auf Grund
dieser Liste vorzunehmenden Ergänzungswahl
stimmberechtigt sein werde Enisch d. O. V. G
im Pr. V. Bl., XI, S.
: In Frankin rr a. M. #ide eine Einteilung
der Liste natürlich nur nach den Wahlbezirken
statt.
: Diese Termine können durch ortsstatutarische
Bestimmung geändert werden.
4 Sie hat andererseits aber nur den Zweck,
den Kreis der aktiv wahlberechtigten Bürger
lechußellen, sie ist nicht gleichzeitig ein Verzeich-
der allein wählbaren Bürger (O. V. G.,
KI, S. 21). Für die Frage, ob jemand
wählbar ist, kommt es allein auf die Zeit der
Wahl, nicht aber darauf an, ob der Betreffende
in die Liste der stimmfähigen Bürger aufge-
nommen ist.
" Uber die Bedeutung dieser Liste sowie dar-
über, daß jede Wahl ungültig ist, welche nicht
auf Grund einer vorschriftsmäßig angefertigten
und ausgelegten Liste erfolgt ist, vgl. O. B. G.,
XXII, S. 12.
* Da die schriftliche Form des Einspruches
und des Bescheides nicht ausdrücklich vorge-
schrieben ist, kann Einspruch wie Bescheid auch
mündlich eingelegt und erlassen werden. O. B. G.,
VIII, S. 118
* Die Stadtverordnetenversammlung hat
nicht das Recht von sich aus, ohne daß gegen
die Liste Einspruch erhoben ist, dieselbe zu
güffan. und zu berichtigen. O. V. G., XXV,
„ Zust. G., §. 10, Abs. 1, Z. 1 u. Abs. 2, u.
ß. 11. Voraussetzung für die Erhebung des
Einspruches und damit für die Anstellung der
Klage ist nur die Mitgliedschaft in der Stadt-
gem emeinde (nicht ist Stimmfähigkeit erforderlich!
ie Mitgliedschaft besitzt nach St. O. ö., §. 3,
jeder Einwohner des Stadtbezirkes) und die
Behauptung, daß die Liste unrichtig sei. Daß der
Einsprechende behauptet, in seinen Rechten verletzt
zu sein, eine sonst notwendige Voraussetzung für
die Verwaltungsklage, wird hier nicht gefordert.
Die St. Ordugn. haben im öffentlichen Interesse,
um die Richtigstellung der Listen zu erleichtern,
eine Popularanfechtung zugelassen. O. V. G.,
XIV, S. 46; XXV, S. 17. Fraglich könnte
sein, in welchem Verhältnis Einspruch und
Klage zu einander stehen. Ist der Grundsatz
der Popularanfechtung soweit aus gedehnt, daß
jedes Gemeindemitglied das Recht hat, auch die
Klage anzustellen, selbst wenn der Beschluß, gegen
den es klagen will, auf Grund der Einwendung
eines Dritten erfolgt ist? §. 11 des Zust. G.
bezeichnet nicht näher die Person des Klägers.
Die St. Ordugn. bestimmen nur, daß jedes Mit-
glied der Stadtgemeinde gegen die Richtigkeit
der vom Magistrate aufgestellten Liste Einwen-
dungen erheben kann. Aus dem Rechte des
Einspruches gegen die bestehende Liste folgt nicht,
daß jedes Mitglied berechtigt ist, im Wege des
Rekurses einen Beschluß der Stadtverordneten
anzufechten, welcher nach seiner Ansicht die Liste
zu einer unrichtigen macht. Es muß viel-
mehr angenommen werden, daß die Anfech-
tungsklage nur dem Gemeindevorstande, dem-
jenigen, auf dessen Einspruch dieser Beschluß
ergangen ist, und endlich nach allgemeinen
Regeln demjenigen zusteht, welcher durch den
Beschluß in seinen Rechten verletzt, z. B. aus
der Liste gestrichen, in eine falsche Klasse gesetzt
ist. Einspruch und Klage sind gegen die Richtig-
keit der aufgestellten Wählerliste gerichtet, sie
müssen daher eine bestimmte Unrichtigkeit der-
selben bezeichnen, sie sollen nur eine Berich-
tigung dieser Liste bezwecken und können
daher nur Personen und Verhältnisse aus der
Zeit der Aufstellung der Liste betreffen. O. V.
G., XIV, S. 45 ff., 56; XIII, S. 70; ogl.
auch XXV, S. 122.
* Vgl. Srtel, S. 160, Anm. 9; O. V. G.,
XX, S. 12.