Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 34.) 137 
der Gemeindeverwaltung zur Sprache zu bringen und auf Abstellung derselben hinzu- 
wirken. Zu diesem Zwecke kann sie vom Magistrat die Einsicht der Akten verlangen 
und in den alten Provinzen und Frankfurt a. M. besondere Ausschüsse aus ihrer 
Mitte ernennen, zu welchen der Bürgermeister, wenn er nicht selbst eintreten will, ein 
Magistratsmitglied abordnen darf. Das Kontrollrecht enthält aber nicht die Befugnis, 
Eingriffe in die laufende Verwaltung vorzunehmen und dem Magistrat in den ihm 
überwiesenen Geschäften Anweisungen zu erteilen; der Geschäftsgang des Magistrats 
wird vom Bürgermeister beaufsichtigt und geleitet, nicht von der Stadtverordnetenver- 
sammlung. Diese hat den Magistrat selbständig handeln zu lassen und dann zu prüfen, 
ob er zweckmäßig und den Gemeindebeschlüssen gemäß gehandelt hat, oder ob Veran- 
lassung vorliegt, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Letzteren Falls steht ihr das Beschwerde- 
recht an den Regierungspräsidenten zu, welcher, wenn es sich um einen Regreß gegen 
Magistratsmitglieder aus Veranlassung ihrer Amtsführung handelt, auf Antrag der 
Stadtverordnetenversammlung einen Rechtsanwalt zur Führung des Prozesses zu be- 
stellen hat. 
Ein besonders wichtiger Ausfluß des Kontrollrechts ist die Teilnahme der Stadt- 
verordneten an den Kassenrevisionen, welche in Hannover und Schleswig-Holstein 
im einzelnen durch Ortsstatut zu regeln ist, während für die übrigen älteren Pre- 
vinzen und Frankfurt a. M. die Städteordnungen selbst voneinander abweichende 
Vorschriften enthalten. 
Das Kontrollrecht der Stadtverordneten ist endlich in den Geltungsgebieten der 
neuen preußischen Städteordnungen teilweise zu einem solchen der ganzen Bürgerschaft 
geworden, indem hier der Magistrat alljährlich vor Aufstellung des Etats in öffentlicher, 
vorher bekannt gemachter Sitzung der Stadtverordneten bezw. beider Kollegien über den 
Stand und die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten einen umfassenden Bericht zu 
erstatten hat, der so beschaffen sein muß, daß sich jedermann aus ihm ein klares Bild 
über die finanzielle Lage der Gemeinde machen kann.“ 
2) Das Kontrollrecht des Stadtvorstandes gegenüber der Stadtverordnetenversamm- 
lung besteht in dem Rechte des ersteren, die Beschlüsse der letzteren einer materiellen 
Prüfung zu unterwerfen und vom Ergebnis derselben die Ausführung jener abhängig 
zu machen. Zeigt sich, daß ein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung ihre Kom- 
petenz überschreitet, gesetz= oder kompetenzwidrig ist, so ist der Gemeindevorstand ver- 
1 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 37; rh., §. 35; 
frkf., §. 47; schlesw.-holst., §. 63; hann., §. 113. 
Das Recht der Akteneinsicht ist nur in Han- 
nover beschränkt, indem der Magistrat hier 
nicht verpflichtet ist, Aktenstücke, welche der Ge- 
heimhaltung bedürfen und deren Mitteilung be- 
denklich ist, vorzulegen. In den übrigen Pro- 
vinzen steht der Stadtverordnetenversammlung 
— mangels einer einschränkenden Vorschrift — 
dieses Recht in dem weitesten Umfange zu. 
Sie kann alle Akten einsehen, die für die Aus- 
übung ihres Kontrollrechts in Betracht kommen 
können, sogar die Personalakten der städtischen 
Beamten. Leidig, S. 103, Anm. 1; Ortel, 
S. 194, Anm. 3. 
2 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 44, Abs. 2; rh., 
8. 41, Abs. 2; frkf., §s. 54, Abs. 2; schlesw.-holst., 
8. 64, Abs. 3; hann., §. 95. In den Gemeinde- 
gesetzen der südlichen neuerworbenen Gebiets- 
teile finden sich entsprechend der geringeren 
Kontrollbefugnis der dortigen Gemeindever- 
tretungen solche Vorschriften nicht. In der 
St. O. hann., welche sonst nur geringe Ab- 
weichungen aufweist, fehlt die Bestimmung über 
Bestellung eines Prozeßvertreters. In Schles- 
wig-Holstein soll eine solche nur dann erfolgen, 
wenn infolge des gegen einzelne Magistrats- 
  
beschlußunfähig geworden ist. In der Rbein- 
provinz endlich wird zunächst ein Vertreter 
der Gemeinde bestellt, der dann seinerseits den 
von der Stadtverordnetenversammlung vorge- 
schlagenen Anwalt bestellt. 
2 Nach der St. O. schlesw.-holst. sind, vorbehalt- 
lich näherer Bestimmungen durch das Ortsstatut, 
zu Anfang jedes Jahres ein oder mehrere Mit- 
glieder der Stadtverordnetenversammlung von 
ihr zu bezeichnen, die dann zu allen Revisionen 
zugezogen werden müssen. Nach den übrigen 
preußischen St. Ordugn. ist die Stadtverord- 
netenversammlung von jeder regelmäßigen Kassen- 
revision zu benachrichtigen, und sie hat dann zu 
derselben ein oder mehrere Mitglieder abzu- 
ordnen. Bei außerordentlichen Kassenrevisionen 
giebt die St. O. rh. es dem Bürgermeister frei, 
ein Mitglied der Stadtverordnetenversammlung 
zuzuziehen, die übrigen St. Ordugn. bestimmen, 
daß der Stadtverordnetenvorsteher oder ein von 
diesem ein für allemal zu bezeichnendes Mitglied 
zugezogen werden soll. St. O. ö., wiesb. u. w., 
8. 56, Z. 4; rh., 8. 53, Z. 4; frkf., §. 63, Z. 4; 
schlesw.-holst., §. 83, Abs. 2; hann., §. 122. 
St. O. ö., wiesb. u. w., §. 61; rb., §. 56; 
frkf., §. 68; schlesw.-holst., §. 87 (bier ist der 
Bericht „demnächst auf ortsübliche Weise zur 
mitglieder zu führenden Prozesses der Magistrat öffentlichen Kunde zu bringen“).
	        
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