Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

4 Erster Abschnitt. (8. 1.) 
keitlichen Selbstverwaltung“ bezeichnet und damit Selbstverwaltung und Verwaltung durch 
Ehrenämter identifiziert.) 
Wie groß aber auch die politische Bedeutung des Gneistschen Selbstverwaltungs- 
begriffs sein mag, ein juristischer Inhalt kann ihm nicht beigelegt werden; mit Recht 
hat daher das Wort „Selbstverwaltung“ im Sinne Gneists in der Gesetzgebung nur 
ganz vereinzelt Eingang gefunden."“ Der Umstand, daß eine Verwaltung durch Ehren- 
beamte geführt wird, ist nicht geeignet, ihr rechtlich einen besonderen Charakter auf- 
zuprägen. Gneist selbst hebt in seinen Schriften immer wieder und wieder hervor, daß 
alle Amter der Selbstoerwaltung „den reinen Amtscharakter, — alle Rechte und Ehren, — 
alle Pflichten und Verantwortlichkeiten der Staatsämter“ haben#s, daß die Ehrenbeamten 
also rechtlich den staatlichen Berufsbeamten gleichstehen. Daraus folgt aber, daß im 
Gebiete der Staatsverwaltung ein rechtlicher Unterschied zwischen der Selbstverwaltung, 
also der obrigkeitlichen Selbstverwaltung und der Verwaltung durch berufsmäßige Beamte 
nicht besteht. Der Unterschied ist eben ein rein politischer. Rein politischer Natur ist 
aber auch das, was allein die obrigkeitliche mit der wirtschaftlichen Selbstverwaltung 
gemein hat: die ehrenamtliche Verwaltung." 
Ergiebt sich hiernach schon aus den eigenen Worten Gneists, daß er mit seiner 
Selbstverwaltung nur ein politisches Prinzip zum Ausdruck bringen will, so folgt die 
Unmöglichkeit, mit derselben einen staatsrechtlichen Begriff verbinden zu wollen, noch 
mehr aus dem Wesen des Ehrenamtes, dem einzigen Begriffsmerkmal dieser Selbst- 
verwaltung, welche der Verwaltung mittels besoldeter Berufs ämter gegenüberstehen 
soll. Es fehlt zunächst, wie bereits Laband hervorgehoben hat, an jeder festen Grenze 
zwischen Ehrenämtern und besoldeten Amtern; auch mit dem Begriff des Ehrenamtes 
ist der Ersatz gewisser, durch die Amtsführung veranlaßter Kosten wohl vereinbar, wird 
dieser nun aber, wie oft üblich, in Form eines Pauschguantums gewährt, so kann es 
bei reichlicher Bemessung desselben in concreto leicht zweifelhaft werden, ob man es 
noch mit einem Ersatz für bare Auslagen zu thun hat oder mit einer Vergütung für 
Aufwendungen von Zeit und Kraft, wie sie gewöhnlich bei den Berufsämtern stattfindet. 
Sodann ist auch die Besoldung keine Eigentümlichkeit des Berufsamtes gegenüber dem 
Ehrenamte; die unbesoldeten Assessoren im Justiz= und Verwaltungsdienst sind zweifellos 
Berufsbeamte. Niemand wird sie wegen des Mangels der Besoldung für Ehrenbeamte 
und damit für Selbstverwaltungsbeamte im Sinne Gneists halten. 
  
1 Vgl. v. Brauchitsch, Bd. II (11. Aufl.,5. Aufl.), S. 1167. In Anerkennung dessen, 
Berlin 1890), S. 171—172, die Vorbemer- 
kungen zur Prov.-Ordnung v. 29. Juni 1875. 
: So z. B. in §. 74, Z. 2b der Kreisord- 
nung v. 13. Dez. 1872. „Selbstverwaltungs- 
ämter des betreffenden Kreises“ ist hier gleich 
„Ehrenämter“ gebraucht. M. v. Brauchitsch, 
II (11. Aufl.), S. 111, Anm. 224. 
Selfgovernment, S. 883 V; Kreisord- 
nung, S. 9; Verwaltung, Justiz u. s. w., S. 98, 
Z. 4; auch Rechtsstaat, S. 335, Anm. 8: 
„Die vollkommene Identität mit den Staats- 
ämtern wird sichtbar an den stetigen Umwand- 
lungen, vermöge deren in jedem Menschenalter 
unbesoldete Ehrenämter des Selfgovernment 
an die Stelle besoldeter Staatsämter treten 
und umgekehrt.“ Ein besonders lehrreiches 
Beispiel in letzterer Beziehung bietet die geschicht- 
liche Entwickelung des brandenburg-preußischen 
Landratsamtes. Ja in derselben Zeit bestehen 
dieselben Amter als Ehrenämter und besoldete 
Staatsämter nebeneinander. Es giebt neben 
den ihre Stelle im Ehrenamt versehenden Amts- 
vorstehern zahlreiche Amtsvorsteher, die als 
Berufsbeamte mit Besoldung angestellt sind. 
4 Bornhack, St. R., II, S. 107, 108. 
* Laband, S. 95, 96. E. Meier, a. a. O. 
  
daß dem Ehrenamte eine rechtliche Bedeutung 
nicht beigemessen werden kann, und davon aus- 
gehend, daß Ehrenämter gewöhnlich neben 
anderer Berufsbeschäftigung von ihren In- 
habern versehen werden, hat G. Meyer eine 
andere Begriffsbestimmung der Selbstverwal- 
tung versucht (St. R., S. 279 ff.; in Schön- 
bergs Hdbch., III, S. 794; auch Lehrb. des 
deutschen Verwaltungsrechts, I (2. Aufl., Leipzig 
1893), S. 17). Er bezeichnet als „Selbstver- 
waltung“ die Besorgung staatlicher Geschäfte 
durch Personen, „welche dieselben neben anderen 
Berufsgeschäften, die den eigentlichen Mittel- 
punkt ihres Lebens bilden, erledigen“, und stellt 
ihr als „bureaukratische“ Verwaltung diejenige 
gegenüber, welche durch Personen besorgt wird, 
„welche daraus ihren Lebensberuf machen“. 
Dieser Begriffsbestimmung kann gleichfalls nicht 
beigetreten werden. Einmal ist der Begriff des 
Lebensberufs rechtlich ebensowenig fest bestimm- 
bar wie der des Ehrenamtes, und sodann wür- 
den nach derselben, entgegen dem allgemein 
herrschenden Sprachgebrauche, die in der Kom- 
munalverwaltung besoldeten Berufsbeamten, wie 
Bürgermeister, Stadträte, technische und Bureau- 
beamte, nicht zu den Beamten der Selbstver-
	        
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