Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 42.) 171
Gemeindemitglieder sind alle selbständigen (d. h. 24 Jahre alten, verfügungs-
fähigen, einen eigenen Hausstand besitzenden) Gemeindeangehörigen, ferner die im Ge-
meindebezirke mit einem Wohnhaus angesessenen, auswärts wohnhaften Personen 1, und
außerdem in der Rheinprovinz noch die, welchen das Gemeinderecht besonders ver-
liehen ist.? Ihnen steht das Recht zur Teilnahme an den Gemeindenutzungen zu.3
Gemeindeberechtigte oder Meistbeerbte, d. h. zur Teilnahme an den öffent-
lichen Geschäften der Gemeinde befugt, sind nur diejenigen Gemeindemitglieder — also
nicht die bloßen Gemeindeeinwohner —, welche"
1) preußische Unterthanen und selbständig sind, und
2) seit einem Jahre keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln empfangen,
die sie betreffenden Gemeindeabgaben bezahlt haben und entweder a) im Gemeindebezirke
mit coinem Wohnhause angesessen und von ihren daselbst belegenen Grundbesitzungen
mindestens zu 6 Mark Grund= und Gebäudesteuer 5 veranlagt sind, oder b) ihren Wohnsitz
im Gemeindebezirke haben und zur Staatseinkommensteuer veranlagt oder zu den Gemeinde-
abgaben nach einem Jahreseinkommen von mehr als 660 Mark herangezogen werden.
In der Rheinprovinz sind zur Ausübung des Gemeinderechts nur Männer zu-
gelassen, und über diese ist, sofern sie die eben bezeichneten Voraussetzungen erfüllen, in
jeder Gemeinde als die allein „zur Ausübung des Gemeinderechts befähigten Meist-
beerbten“ vom Gemeindevorsteher ein vollständiges Verzeichnis, „Gemeinderolle“, zu führen,
aus welcher niemand, der einmal aufgenommen ist, ohne gesetzlichen, ihm mitzuteilenden
Grund gestrichen werden darf. Frauen, unselbständige wie juristische Personen und
Forensen — d. h. im Sinne der hier in Rede stehenden Landgemeindeordnungen aus-
wärts wohnende und im Gemeindebezirke nicht mit einem Wohnhause angesessene
Grundeigentümer — sind von dem Gemeinderechte ausgeschlossen. Nur den Forensen
kann ausnahmsweise, wenn bei ihnen die allgemeinen Voraussetzungen vorhanden sind,
das Gemeinderecht aus besonderem Vertrauen durch Beschluß des Gemeinderates ver-
liehen werden, dasselbe erlischt aber für sie durch Veräußerung von mehr als der Hälfte
des Grundbesitzes im Gemeindebezirke.“
In Westfalen steht kraft Gesetzes den unselbständigen Personen und den Frauen
das Gemeinderecht zu, wenn sie auf Grund des Besitzes eines Wohnhauses im Gemeinde-
bezirte berechtigt sind, den Forensen und juristischen Personen, wenn sie, wie nach der
östlich en und der westfälischen Städteordnung, seit einem Jahre mehr als einer der drei
höchstb esteuerten Einwohner an Staats= und Gemeindeabgaben entrichten.
Im übrigen gelten hinsichtlich der Anrechnung der Steuerzahlungen der Ehefrau
u. s. w.#, hinsichtlich des Erwerbes des Gemeinderechts vor Ablauf einer einjährigen
Gemeindemitgliedschaft bei Verlegung des Wohnsitzes aus einer anderen Gemeinde oder
aus einem Gutsbezirke 38, des Verlustes und des Ruhens des Gemeinderechts 10 u. s. w.
die bereits wiederholt angeführten Grundsätze der Städteordnungen. 71
1 In Westfalen sind diese Personen nur in berechtigt sind. Näheres über den Inhalt des
den Landgemeinden Gemeindemitglieder; in den
der L. G. O. w. unterliegenden Städten werden
sie lediglich als Forensen behandelt. L. G. O. w.,
8. 66 1.
2 L. G. O. w., 8. 14; rh., 8. 12 u. Art. 5
des Ges. v. 15. Mai 1886.
L. G. O. w., §. 52;rh., §. 17. Nach diesem
§. 17 beläßt es die L. G. O. rh. in Ansehung
der Teilnahme der einzelnen Gemeindeglieder
an den Nutzungen des Gemeindevermögens bei
den „bestehenden Rechtsverhältnissen“. Es gelten
daher insbesondere in denjenigen Teilen der
Rheinprovinz, in welchen die französische
Gesetzgebung zur Anwendung kommt, noch heute
die älteren französischen Bestimmungen der
Dekrete vom 20. Juni 1806 und 6. Juni 1811,
nach welchen nur die Haushaltungsvor-
stände, welche in der Gemeinde ihren Wohn-
sitz haben, an den Gemeindenutzungen teilnahme-
§. 17 siehe O. V. G., XXI, S. 134 ff.; daselbst
auch S. 138 Bemerkungen über den §. 52, cit.
der L. G. O. w.
4 L. G. O. w., S. 15; rh., §88. 33, 34, ersetzt
durch Art. 11 des Ges. v. 15. Mai 1856.
* Wo besondere Ortsverhältnisse es nötig
machen, kann dieser Satz mit Genehmigung des
Kr. A. herabgesetzt werden. Zust. G., §. 31, Abs. 1.
. G. O. rh., s§. 35, 36, 41.
7 L. G. O. w., §§. 16, 17 u. 20. Uber das
Wahlrecht der jur. Personen und Forensen vgl.
oben S. 99 unter II. und III.
6#- L. G. O. w., S. 15, II, Z. 3, b; Art. 11, II,
Z. 3, b des Ges. v. 15. Mai 1856.
" L. G. O. w., §. 19.
109 L. G. O. w., §. 22; Art. 12 des Ges. v.
15. Mai 1856. »
11 Betreffs der Ausübung des Gemeinderechtes
mehrerer Mitbesitzer eines zum Gemeinderechte