Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 49.) 189
8. 49.
2) Die Bestellung des Gemeindevorstandes.!
I. Die früher in den östlichen Provinzen in weitem Umfange mit dem Besitze
gewisser Grundstücke (Schulzengüter, Erbscholtiseien, Lehnscholtiseien) verbundene Ver-
pflichtung und Berechtigung zur Verwaltung des Schulzenamtes wurde für die Provinzen
Ost= und Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Sachsen und Schlesien
bereits durch die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 aufgehoben. Die neue Landgemeinde-
ordnung hat sie nunmehr auch für die Provinz Posen beseitigt. Seit dem 1. April
1892 gehören die Schulzengüter durchweg der Geschichte an, sie beschäftigen uns praktisch
nur noch insofern, als die Auseinandersetzungen zwischen den Schulzengutsbesitzern und
den Gemeinden, welche ihre Aufhebung notwendig machten, noch nicht beendigt sind.
Das Amt des Gemeindevorstehers ist nirgends mehr mit einem Grundstück verbunden,
es beruht überall auf persönlicher Übertragung.
II. Der Gemeindevorsteher und die Schöffen, bezw. der Stellvertreter oder Bei-
geordnete, sind von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) aus der Zahl der
stimmberechtigten Gemeindemitglieder, in Hannover nur aus der Zahl derjenigen zu
wählen, welche die das Stimmrecht Nichtansässiger bedingenden Eigenschaften besitzen,
sofern diese Personen nicht sonst nach gesetzlicher Bestimmung zur Bekleidung öffentlicher
Amter unfähig sind. Jedoch sollen in den östlichen Provinzen und in Schleswig-
Holstein Vater und Sohn, sowie Brüder nicht gleichzeitig Gemeindevorsteher und
Schöffen sein, und in Westfalen sind vom Gemeindevorsteheramt ausgeschlossen: die von
der Staatsregierung ernannten Mitglieder der Aufsichtsbehörde, Geistliche und Lehrer
an öffentlichen Schulen, die Mitglieder des Richterstandes und die Beamten der Staats-
anwaltschaft, die Polizeibeamten, die zum stehenden Heere und zur Landwehr gehörenden
Personen, sowie Personen, welche das Gewerbe der Gast= und Schankwirtschaft oder
des Kleinhandels mit Spiritus betreiben."
Streitigkeiten über die Eigenschaft eines Gutes
. Möller, L., §§. 30, 31; Grotefend,
als Schulzengut und über die mit ihm ver-
1 v
a. a. O.
2 Kr. O. ö., §§. 36—45, und dazu die Instruk-
tion v. 20. Sept. 1873.T abgedr. bei v. Brau-
chitsch, II, Anhang Nr. 5. Über das ältere
Recht bes. v. Möller, L., S. 94—96.
* Die Auseinandersetzung zwischen den Ge-
meinden und den Schulzengutsbesitzern ist nach
folgenden Grundsätzen geregelt: Die den Schulzen-
tsbesitzern erweislich von der Gemeinde
für die Amtsverwaltung verliehenen Grund-
stücke, Gerechtigkeiten und Einkünfte fallen an
die Gemeinde zurück. Ebenso hören die den
Schulzengutsbesitzern für die Amtsverwaltung
etwa in kommunaler Beziehung gewährten Be-
freiungen und Vorrechte auf. Weitere Ver-
gütigungen kann die Gemeinde nicht bean-
spruchen. Auch werden die Beziehungen zwi-
schen dem Schulzengutsbesitzer und dritten Per-
sonen in keiner Weise berührt. Insbesondere
hat ersterer in keinem Falle die von Dritten,
vornehmlich von dem Landesherrn oder dem
Gutsherrn ohne ausdrücklichen Vorbehalt des
Widerrufes verliehenen Grundstücke u. s. w.
herauszugeben. Die hiernach etwa erforderliche
Auseinandersetzung zwischen Gemeinde und
Schulzengutsbesitzer wird durch einen vom
Kreisausschuß zu ernennenden Kommissarius
bewirkt. Der über dieselbe aufzunehmende
Rezeß unterliegt der Bestätigung des Kreis-
ausschusses. ntstehen bei diesem Verfahren
bundenen Rechte und Pflichten, oder wird die
Vollziehung oder Bestätigung des Rezesses ver-
sagt, so sind die Verhandlungen zum weiteren
Verfahren an die Generalkommission abzugeben,
gegen deren Entscheidung die Berufung an
das Oberlandeskulturgericht stattfindet. Ist
die Sache an die Generalkommission abge-
geben, so hat diese den Rezeß aufzunehmen,
zu prüfen und zu bestätigen. Hinsichtlich des
Verfahrens, der Wirkung und Ausführung der
Rezesse gelten die Vorschriften über Ablösung
der Reallasten und Regulierung der gutsherr-
lichen Verhältnisse. Vor den Kreisausschüssen.
ist das Verfahren für Gemeinden und Schulzen-
gutsbesitzer kostenfrei; für das Verfahren vor
den Auseinandersetzungsbehörden gelten die ge-
wöhnlichen für diese bestehenden Vorschriften.
L. G. O. ö., §§. 92—101
4 L. G. O. ö. u. schlesw. -holst., §. 75. Bei
der Wahsl eines besoldeten Earnteickerorneehere
ist die Gemeindevertretung nicht auf die Ge-
meindemitglieder beschränkt. — L. G. O. w.,
§§. 38, 39. Nach §. 69, Abs. 3 kann der Amt-
mann bei Amtern, die aus mehreren Gemeinden
bestehen, uEE*2 der Wohnsitzgemeinde
sein. — L. G. O. rh., §. 72, jetzt Kr. O. rh.,
§. 23. Die Vorschrift der ¾ G. O. rh., nach
welcher der Bürgermeister einer aus mehreren
Gemeinden gebildeten Bürgermeisterei zugleich