Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 54.) 203 
errichten 1, verpflichtet sie zur Mitwirkung an der Bekämpfung der Viehseuchen? und 
räumt ihr endlich einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Entwickelung von Handel 
und Gewerbe ein. 
Auch die Sorge für das geistige Leben und die sittliche Entwickelung der Gemeinde- 
angehörigen ist den Gemeinden in weitem Umfange übertragen bezw. überlassen. Ist es 
ihnen schon im allgemeinen und zwar besonders den Städten möglich, durch Einrichtung 
von Bibliotheken, Museen und Theatern, durch Herstellung öffentlicher Plätze und An- 
lagen und durch Ausschmückung der öffentlichen Gebäude die geistigen Interessen und 
den Kunstsinn ihrer Bürger zu erwecken und zu fördern, so können sie noch besonders 
auf dem Gebiete des Schulwesens" eine segensreiche Thätigkeit entfalten. Die Errichtung 
höherer Lehranstalten, die Errichtung von Fachschulen und Fortbildungsschulens ist überall 
ihrer freien Willensentschließung überlassen, die Errichtung und Unterhaltung der Volks- 
schulen dagegen ist ihnen in einem Teile der Monarchie direkt zur Pflicht gemacht. In 
der Rheinprovinz, in Hessen-Nassau, Hohenzollern, in den Provinzen Ost- 
und Westpreußen und teilweise auch in Schlesien ist die politische Gemeinde rechtlich 
verpflichtet, für die Volksschule zu sorgen.5 In den übrigen Gebietsteilen Preußens 
liegt die Unterhaltung der Volksschulen prinzipiell nicht den Gemeinden als solchen, 
sondern den zur Schule gewiesenen (eingeschulten) selbständigen Bewohnern eines räum- 
lich begrenzten Bezirkes, der sogen. Schulgemeinde ob', thatsächlich haben jedoch die 
politischen Gemeinden vielfach auch hier die Errichtung und Erhaltung der Schulen in 
ihrem Bezirke freiwillig übernommen. Wo dies geschehen, erscheinen die Schulen als 
Kommunalanstalten, die aus den allgemeinen Gemeindemitteln unterhalten und vom 
Gemeindevorstande oder von besonderen Deputationen verwaltet und beaufsichtigt werden. 
Häufig ist den Gemeinden dann auch noch die Berufung der Lehrer unter staatlicher 
Bestätigung überlassen; ein Einfluß auf das innere Leben der Schulen wird ihnen 
dagegen regelmäßig nicht zugestanden, indem dieses nach preußischen Rechts= und Ver- 
waltungsgrundsätzen stets direkt von staatlichen Behörden zu leiten und zu beaufsichtigen ist. 5# 
  
1 Leidig, S. 398; v. Möller, St., §. 127; 
Sparkassemreglement Wie Dez. 1838. (G. S. 
r. 1839, S. 5). üÜber die Eigenschaft der 
städtischen Sparkasse als einer öffentlichen, der 
Beleidigung fäbigen Behörde vgl. R. G. Entsch. 
in Str. S., VI, S. 247. Über die Anstellung 
der Sparkassenbeamten durch Wahl der Stadt- 
verordneten O. V. G., XXI,. S. 30. Eingehen- 
des über die städtischen Sparkassen siehe bei 
rrtel, S. 272 ff. 
3#3 Ges. betr. die Ausführung des Neicherier 
lenchengesenes v. 12. März 1881 (G. S., S. 128), 
68. 25 
„ Leidig, S. 369 ff.; v. Möller, St., 
88. 102, 128 -130; Stellenhagen. —□—2 
124. Hierzu gehört besonders: die Regelung des 
Meß- und Markwerkehrs (R. Gew. O., §§. 69, 
70, 142; Zust. G., §. 128); die Anstellung ver- 
eidigter Feldmesser, Auktionatoren, Wäger, 
Messer, Schauer, Stauer und ähnlicher Per- 
sonen, deren Handlungen öffentlicher Glauben 
zukommt (R. Gew. O., §. 36); die Einwirkung 
auf Beschränkung der privaten Pfandleihinstitute, 
der Gast= und Schankwirtschaften (K. Gew. O., 
88. 33, 34); die Aufsicht über das Innungs- 
wesen (R. Gew. O., 8. 104); die Errichtung von 
Eichungsämtern als Gemeindeanstalten, Ges. 
betr. die Eichungsbehörden v. 26. Nov. 1869 
(G. S., S. 1165). 
* Es handelt sich hier nur um eine ganz kurze 
Skizzierung der Berhältnisses der Gemeinde zur 
Schule. Im übrigen ist auf die besonderen 
Darstellungen des Schuwesens in den Lehr- 
  
büchern des Verw. Rechts (in v. Rönnes Preuß. 
Staaterecht 14. aufl.% Bd. II) zu verweisen. 
Vgl. auch Leidig, 464—476; Steffen- 
hagen, §. 85; v. Möller, St., 66. 134—136; 
L., §§. 108, 109. 
* Gemeinden wie auch weitere Kommunal= 
verbände können durch Statut für gewerbliche 
Arbeiter unter 18 Jahren den Besuch einer Fort- 
bildungsschule obligatorisch machen. R. Gew. O., 
§. 120 (Fassung v. 1. Juni 1891). 
* Bgl. L. G. O. rh., §. 86; Schul-Ordn. für 
die Elementarschulen der Provinz Preußen 
v. 11. Dez. 1845, 8§8§. 39— 41; v. Rönne, 
a. a. O., S. 465—466, Nr. 9 u. 10; Katho- 
Liche. Schulreglement für Schlesien v. 3. Nov. 
7 A. L. R., Tl. II, Tit. 12, §§. 29—38; han- 
noversches Bolksschulges. v. 26. Mai 1845, 
88. 12 - 16; Lauenburgische Landschulordnung 
v. 10. Okt. 1868, Ss. 1, 32—34. 
s Vgl. Art. 24, Abs. 3 der Berf. Urk. „Die 
Leitung der äußeren Angelegenheiten der Bolks- 
schule steht der Gemeinde zu.“ Dieses Prinzip 
ist auch in den östlichen Provinzen und 
Westfalen, dem Geltungsbereich der M. Instr. 
v. 26. Juni 1811 (v. Kamptz, Ann., XVII, 
S. 659; vogl. Leidig, S. 474), welche zur 
Beaussichtigung der gesamten städtischen Schul- 
uugegenergen der äußeren wie der inneren, 
eine Bebörde in der Stadtschuldeputation ge- 
schaffen hat, nur scheinbar verlassen, denn der 
Staat hat sich seinen maßgebenden Einfluß und 
die Direktive im ganzen städtischen Volksschul-
	        
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