Ortsgemeinden; das geltende Recht. (C. 61.) 229
Gemeindemitgliedern in gleichem Verhältnis zu geschehen; nur bei solchen Arbeiten, bei
welchen Spanndienste und Handdienste zugleich vorkommen, wird die Befreiung der be-
spannten Ackerwirte von letzteren vermutet. „Unangesessene Dorfseinwohner“ endlich
„sind zu solchen Gemeindelasten, wovon bloß die angesessenen Wirte den Vorteil ziehen,
beizutragen nicht schuldig.“ 1 In den beiden ersten mitgeteilten Sätzen erkennt das Land-
recht an, daß der Grundbesitz der Hauptträger der Steuern ist, und daß seine Größe
den Verteilungsmaßstab für die Spanndienste bilden soll: die landesherrlichen Steuern
lasteten damals hauptsächlich auf dem Grundbesitz, und sein Umfang bestimmte natur-
gemäß die Gespannhaltung. In dem letzten Satze dagegen bringt es den auch in
späteren Gesetzen für die ländliche Gemeindebesteuerung wiederholt ausgesprochenen und
heute wieder für die gesamte Kommunalbesteuerung maßgebenden Grundsatz zum Aus-
druck, daß die Besteuerung nach dem Vorteil erfolgen soll.
Von den in der Folgezeit ergangenen gesetzlichen Vorschriften bezogen sich auf das
ländliche Abgabenwesen der bereits oben erwähnte §. 13 des Gesetzes v. 30. Mai 1820,
das Gesetz v. 11. Juli 1822, eine die Hundesteuer auch für Landgemeinden zulassende
Kabinettsordre v. 18. Okt. 18342 und endlich das Gesetz, betreffend die Landgemeinde-
verfassungen in den sechs östlichen Provinzen v. 14. April 1856 (G. S., S. 359).
Keine dieser Vorschriften hat aber eine nennenswerte Fortbildung des ganzen ländlichen
Gemeindelastenwesens herbeigeführt. Auch das letztbezeichnete Gesetz hält Herkommen
und Gewohnheit in vollem Umfange aufrecht und beschränkt sich darauf, eine nötigen-
falls durch Beschluß der Aufsichtsbehörde herbeizuführende Neuregelung des Maßstabes
der Gemeindeabgaben und dienste für solche Fälle vorzuschreiben, „wo die Ortsverfassung
dunkel, zweifelhaft oder nicht mehr passend ist, insbesondere hergebrachte Gewohnheit
keinen sicheren Anhalt gewährt oder zu erheblichen Mißverhältnissen führt“; hier soll
eine neue Verteilung der Gemeindelasten „mit Berücksichtigung der in der Gemeinde
stattfindenden Abstufungen des Grundbesitzes und des Klassenverhältnisses“ erfolgen und
der Anteil an den Lasten „in ein angemessenes Verhältnis zu den Rechten und Vor-
teilen“ gebracht werden, welche der einzelne Pflichtige in dem Gemeindeverbande genießt.]
Eine Befugnis der Landgemeinden, Forensen und juristische Personen zu den Kommunal=
abgaben heranzuziehen, war in den östlichen Provinzen bis zum Erlaß des Kommunal=
steuernotgesetzes v. 27. Juli 1885 gesetzlich nicht anerkannt.“ In den beiden westlichen
Provinzen dagegen hielt die Entwickelung des ländlichen Gemeindelastenwesens mit
der des städtischen gleichen Schritt. Die Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz
v. 23. Juli 1845, bezw. die Novelle v. 15. Mai 1856 und die Landgemeindeordnung für
Westfalen v. 19. März 1856 regeln das Gemeindebesteuerungsrecht fast ebenso wie die
betreffenden Städteordnungen und erklären besonders auch in demselben Umfange wie
diese Forensen und juristische Personen in den Landgemeinden für abgabenpflichtig.2
1 A. L. R., Tl. II, Tit. 7, 88. 31, 38—44.
2: v. Kamptz, Ann., XVIII, S. 1092.
?* 5§P. 11 u. 12 des Ges. v. 14. April 1856.
* Das O. B. G. nahm jedoch in seiner Recht-
sprechung an, daß die Landgemeinden in den
östlichen Provinzen die Befugnis hätten,
die Forensen nicht nur zu den Realabgaben,
sondern auch „zu den nach der Klassen- bezw.
der klassifizierten Einkommensteuer veranlagten
Gemeindeabgaben“ mit dem aus ihrem in der
Gemeinde belegenen Grundbesitze fließenden
Einkommen heranzuziehen. O. V. G., IV,
S. 117 ff. «
«L.G.O.rh.,§§.22—32;Art.8des
Ges. v. 15. März 1856; L. G. O. w., §§. 56
—64. Eigentümlich ist der letzteren, daß sie
Zuschläge nur zu direkten, nicht zu indirekten
Staatssteuern zuläßt (§. 57). Bemerkenswert ist
auch, daß sie (in §. 59) bereits die später in ähn-
licher Weise zunächst in der Kr. O. v. 1872 (F. 13)
und in der Prov. O. v. 1875 (§. 110) wieder-
kehrende, dann auch in die L. G. O. v. 3. Juli
1891 (§6. 14) und in das neue K. A. G. (§. 20)
aufgenommene Borschrift enthält, daß, wenn ein
Bedürfnis das Interesse einzelner Klassen von
Gemeindemitgliedern oder einzelner, für sich be-
stehender Abteilungen des Gemeindebezirkes be-
trifft, nur diese die zur Befriedigung desselben
nötigen Geldbeiträge und Dienste zu leisten haben.
Auch die L. G. O. rh. läßt (§. 30) eine solche
Belastung einzelner Klassen der Bezirke zu, aber
nur sofern sie z. Z. ihres Inkrafttretens bereits
üblich war.