Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 62.) 231
Abgaben nicht hinreicht, sind Umlagen, d. h. direkte Gemeindesteuern zu erheben, und
zwar bleibt für diese der bisherige Verteilungsfuß so lange bestehen, bis er durch Gesetz
oder Ortsstatut abgeändert wird. Einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen
Umlagen, welche 50 Prozent der betreffenden direkten Staatssteuer übersteigen. Die
Gemeindedienste sind entweder gewöhnliche: Reihedienste, oder außergewöhnliche: Notdienste,
wie bei Feuersbrunsk, Wassersnot u. s. w. Die Befreiungen von diesen Gemeindediensten
wie die Stellvertretung bei ihnen sind im Gesetz besonders eingehend geregelt. Von
der Besteuerung juristischer Personen und Forensen spricht die Gemeindeordnung zwar
nicht, doch hat man eine solche hier stets für zulässig erachtet, da den Gemeinden
über die Art und Weise der Erhebung ihrer Umlagen keine einschränkenden Vorschriften
gemacht sind.? ·
Auch das im ehemaligen Herzogtum Nassau die Gemeindeverhältnisse in Stadt
und Land gleichmäßig regelnde Gemeindegesetz v. 16. Juli 1854 sah die direkte Be-
steuerung als ein subsidiäres Mittel zur Deckung des gemeindlichen Finanzbedarfes
an.3 Nur der durch Einkünfte aus dem Vermögen, aus den Gebühren, den Straf-
geldern, der Hundesteuer und den indirekten Abgaben nicht gedeckte Teil des Bedarfes
sollte durch direkte, und zwar in Form von Zuschlägen zu erhebende Gemeindesteuern
gedeckt werden."“ Diese Zuschläge sollten jedoch nicht mehr als drei Simpla der Staats-
steuer — ein Simplum betrug ½40 des Steuerkapitals — betragen; reichten diese zur
Bestreitung der notwendigen Ausgaben nicht hin, so sollte der Gemeinderat die Ein-
führung einer nach Erhebungsart und Betrag zu bestimmenden besonderen Abgabe bei
der Gemeindeversammlung und bei dem Amte beantragen. Mit Einführung der preu-
ßischen direkten Staatssteuern mußte die Berechnung der Steuer nach Simpla wegfallen,
und die Praxis bildete sich nun so aus, daß man die Gemeinden 60 Prozent Zuschläge
zur Staatssteuer frei erheben ließ, zu weiteren nach Höhe und Art beliebig zu fixierenden
Erhebungen aber die Genehmigung der Aufsichtsbehörde für erforderlich erklärte. ? Zur
Leistung von Gemeindediensten sind nach dem nassauischen Gemeindegesetze alle Bürger
verpflichtet, und zwar die ein Gespann besitzenden zu Spann-, die anderen zu Hand-
diensten. Alle Dienste sind aber gemessene; abgesehen von besonderen Voraussetzungen
braucht niemand häufiger als an zehn Tagen im Jahre der Gemeinde solche zu
leisten. Eine Besteuerung der juristischen Personen war nach nassauischem Rechte über-
haupt ausgeschlossen, und eine solche der Forensen nur in sehr geringem Umfange zu-
lässig. Ihre Heranziehung kam erst in Frage, wenn eine besondere Gemeindeabgabe
erhoben werden sollte. Solange diese nicht notwendig war, d. h. solange nicht mehr als
60 Prozent der direkten Staatssteuer zur Deckung der Gemeindeausgaben erhoben zu
werden brauchten, waren die Forensen kommunalsteuerfrei, denn die 60 Prozent mußten
in Form von Zuschlägen zu den direkten Staatssteuern erhoben werden, und mit solchen
waren nur in der Gemeinde wohnende Personen zu belasten.
In allen neuerworbenen Landesteilen war gesondert von dem allgemeinen Gemeinde-
abgabenwesen die Hundebesteuerung geregelt. Auch hier galten im einzelnen natürlich
sehr abweichende Vorschriften. Die Höhe der Steuer war eine verschiedene, ihre Er-
hebung gewöhnlich ins Belieben der Gemeinden gestellt, in einzelnen Rechtsgebieten jedoch
obligatorisch, ihre Verwendung meistens den Gemeinden überlassen, bisweilen jedoch auch
gesetzlich geregelt."
1 G. O. kurh., 58. 77, 78, 84, Z. 5.
2:2 Strutz, Kommunalverbände, S. 61, Z. 1,
S. 64 unter h.
2 Für einen Teil der ehem. nassauischen Städte
wurde das alte nassauische Gemeindeabgaben-
recht bereits 1891 durch die St. O. wiesb. be-
seitigt und im Sinne der altpreußischen Gesetz-
gebung umgestaltet.
4 G. G. nass., §. 36, und §F. 3 des Regierungs-
edikts v. 9./11. Dez. 1815 (nass. Verordnungs-
sammlung, I1, S. 334); v. Reitzenstein, Ge-
meindestenern, in v. Stengels Wörterbuch des
Verwaltungsrechts, I, S. 529.
1 G. G. nass., §s§. 35—37. Dazu Strutz,
Kommunalverbände, S. 127 ff.; Begründung
zum neuen Kommunalabgabengesetz, S. 30, Z. 5.
* Betreffs Schleswig-Holsteins und
Frankfurts a. M. vgl. oben S. 230, Anm. 1.
In Hannover wurde die Hundesteuer, jedoch
nicht in weitem Umfange, auf Grund eines M.
Erl. v. 2. Sept. 1865 erhoben. Im ehem. Kurf.
Hessen wurde sie auf Grund der Gesetze v.
31. Okt. 1833 und v. 26. Juni 1840 als Staats-
steuer erhoben, durch §. 16 der preuß. Vdg. v.
28. April 1867 (G. S., S. 538) jedoch als
solche ansgehoben und den Gemeinden zur Hebung