Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinben; das geltende Recht. (F. 63.) 233 
tage. Dasselbe Schicksal hatten endlich zwei in den Jahren 18781 und 18792 vor- 
gelegte Entwürfe. Dies waren einstweilen die #letzten Schritte der Regierung zur 
Reform des Kommunalabgabenwesens; man hatte inzwischen eine Reform des ganzen 
direkten Staatssteuerwesens in Aussicht genommen, und bis zur Erledigung dieser 
mußte die des Kommunalsteuerwesens naturgemäß ausgesetzt werden. Als auch diese 
geplante Reform des Staatssteuersystems zunächst nicht zu stande kam, beschloß die Re- 
gierung, wenigstens die vorläufige Neuregelung gewisser, besonders im argen liegender 
Teile der Kommunalsteuergesetzgebung in Angriff zu nehmen, und legte im Jahre 1884 
dem Abgeordnetenhause einen Gesetzentwurf „betreffend Ergänzung und Abänderung einiger 
Bestimmungen über Erhebung der auf das Einkommen gelegten direkten Kommunal= 
abgaben“ vors, welcher die Frage der Heranziehung der Forensen und der juristischen 
Personen einheitlich regeln wollte. Dieser Entwurf wurde zwar im Abgeordnetenhause 
durchberaten und mannigfach abgeändert, kam aber im Herrenhause nicht mehr zur Er- 
ledigung. Im folgenden Jahre wurde er jedoch in der vom Abgeordnetenhause 1884 
festgestellten Fassung wieder eingebracht" und nun auch wirklich nach mehrfachen Ab- 
änderungen im Herrenhause unterm 27. Juli 1885 zum Gesetz erhoben. (G. S., S. 327.) 
Dieses sogen. „Kommunalsteuernotgesetz“ hatte eine doppelte Bedeutung, eine finan- 
zielle und eine rechtliche. Erstere bestand darin, daß es durch Ausdehnung der subjektiven 
Steuerpflicht auf die Kommanditgesellschaften auf Aktien und auf diejenigen eingetragenen 
Genossenschaften, deren Geschäftskreis über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, allen 
Gemeinden, und durch die sämtlichen Gemeinden der Monarchie erteilte Befugnis zur 
Bestenerung der Forensen, juristischen Personen und Aktiengesellschaften denjenigen Ge- 
meinden, welchen ein solches Recht bisher nicht zustand, eine Reihe neuer ergiebiger 
Steuerquellen eröffnete. Die rechtliche Wirkung dieses Gesetzes war aber die, daß durch 
dasselbe „eine Reihe der bestrittensten Punkte auf dem Gebiete des Gemeindeabgaben- 
wesens in einer den Bedürfnissen der Gemeinden und den Interessen der Berwaltung 
entsprechenden Weise einheitlich und gleichmäßig für den ganzen Umfang der Monarchie 
(mit alleiniger Ausnahme der Hohenzollernschen Lande) geregelt, und daß für die 
Ausübung der Steuerberechtigung der Gemeinden und weiteren Kommunalverbände eine 
feste Grundlage gewonnen“ wurde. Von diesem Gesichtspunkte aus muß das Gesetz, 
wenngleich es selbst wieder eine Unmenge neuer Kontroversen hervorgerufen hat, ja 
gewissermaßen hinsichtlich seiner Auskegung die Krux aller Kommunalsteuerbehörden und 
Verwaltungsgerichte geworden ist, als der erste Schritt zu einer einheitlichen Ausbildung 
des preußischen Kommunalsteuerwesens bezeichnet werden. 
Das System oder vielmehr die verschiedenen Systeme der Kommnnalsteuergesetz- 
gebung waren jedoch durch dieses Gesetz noch unberührt gelassen, nur in einzelnen 
Beziehungen führte dieses Notgesetz, welches sich selbst eine nur provisorische Bedeutung 
beilegte, eine Ergänzung bezw. Abänderung des bestehenden Rechtes herbei.“ 
  
1 Drucks. des A. H., Nr. 37 u. 100. 
1 Drucks. des A. H., Nr. 19 u. 124. 
4 Drucks. des A. H., Nr. 104. 
seits in dem diesem Gesetze ausdrücklich beige- 
legten provisorischen Charakter, da nach den 
Worten der bezeichneten Motive: aim übrigen 
4 Drucks. des A. H., Nr. 13 
* Herrfurth und Nöll, Kommentar zu diesem 
Gesetz, S. 13; Adickes, S. 101 ff. 
* Herrfurth und Nöll, S. 12 u. 13., Da- 
selbst findet sich folgende bemerkenswerte Auße- 
rung über die Bezeichnung „Notgesetz“ und den 
provisorischen Charakter dieses Gesetzes: „Wenn 
dieses Gesetz in den Diskussionen in beiden Häu- 
sern des Landtages als (Kommnnalsteuernotgesetzt 
bezeichnet worden ist, so findet diese Benennung 
ihre Rechtfertigung, wie auch die Begründung 
zu der Regierungsvorlage von 1883/84 (Drucks., 
Nr. 104) hervorhebt, einesteils in dem Umstande, 
daß die immer unabweislicher hervortretende 
Dringlichkeit der Neuregelung gewisser Teile der 
Kommunnalsteuergesetzgebung eine längere Ver- 
schiebung als unthunlich erscheinen ließ, anderer- 
  
dieser Weg nur unter dem Borbehalte einge- 
schlagen werden kann, daß in dem demnächst zu 
vereinbarenden allgemeinen Kommunalsteuer- 
gesetze auch die jetzt vorab zu regelnden Punkte 
nach anderweiter, dann im Zusammenbange mit 
der Gesamtmaterie vorzunehmender Erwägung 
Berücksichtigung und definitive Feststellung fin- 
den.? Dieser provisorische Charakter der Be- 
stimmungen des Kommunalsteuernotgesetzes und 
der Vorbehalt einer anderweiten Regelung bei 
Erlaß eines definitiven Gemeindeabgabengesetzes 
ist sowohl im Texte des Gesetzes, §. 1, Abs. 1, 
und in der Begründung auf S. 9, Abs. 4, be- 
züglich der kommunalen Einkommensbesteuerung 
des Staatsfiskus ausdrücklich herrorgehoben, als 
auch bei der Diskussion desselben bei einer Reihe 
von Fragen ... betont worden. Andererseits
	        
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