236 Zweiter Abschnitt. (. 63.)
gewisse durch die Umgestaltung der Einkommensteuer erzielte Mehrerträge „zur Durch-—
führung der Beseitigung der Grund- und Gebäudesteuer als Staatssteuer, bezw. der
Überweisung derselben an kommunale Verbände verwandt“ werden sollten, als das
beabsichtigte Ziel der Steuerreform „sowohl die völlige Aufhebung der Grund= und
Gebäudesteuer als Staatssteuer, als auch die Überweisung dieser Steuern an die
Kommunalverbände“ bestimmt und klar hin.
Bereits die erste Veranlagung nach dem neuen Einkommensteuergesetz für 1892/93
hatte das günstige Resultat, daß auf Grund des eben erwähnten §. 82 mehr als die
Hälfte der rund 75 Millionen Mark betragenden Grund= und Gebäudesteuer den
Kommunalverbänden überwiesen werden konnte. Dies, wie auch der Umstand, daß
die mehrere hundert Prozente betragenden Gemeindezuschläge zur Staatseinkommensteuer
jetzt absolut unerträglich geworden waren, nachdem diese Staatssteuer infolge der neuen
Veranlagungsvorschriften wirklich das volle vorhandene Einkommen traf und von diesem
3—4 Prozent erhob, veranlaßte die Regierung, den einstweilen ausgesetzten Teil des
Reformwerkes alsbald zu vollenden. Im Staatsanzeiger v. 25. April 1892 machte sie
die Ziele und den Weg der weiteren Reform eingehender und in weiterem Umfange,
als sie im Einkommensteuergesetz angegeben waren, bekannt und legte dann auf Grund
Allerhöchster Ermächtigung v. 2. Nov. desselben Jahres die Entwürfe eines Gesetzes
wegen Aufhebung direkter Staatssteuern, eines Ergänzungssteuergesetzes und eines
Kommunalabgabengesetzes nebst einer umfassenden Denkschrift dem Landtage zur Beschluß-
fassung vor.2? «
Nach diesen Gesetzentwürfen wollte man sich nicht mehr, womit dem 8. 82 des
Einkommenstenergesetzes genügt worden wäre, darauf beschränken, einen dem jährlichen
Mehrertrage der Einkommensteuer entsprechenden Teilbetrag der Grund= und Gebäude-
steuer, also etwa die Hälfte derselben zu erlassen oder den Gemeinden oder weiteren
Kommunalverbänden zu überweisen, sondern die Grund-, Gebäude= und auch die Gewerbe-
steuer sollte dem Staate gänzlich entzogen und den Gemeinden in vollem Umfange zur
Ausnutzung überwiesen werden.? Die Gründe hierfür waren, daß man einmal die
Ertragssteuern als staatliche Steuern neben der nunmehr vervollkommneten Einkommen-
steuer für unhaltbar, ihre Beibehaltung und Ausbildung für die Kommunalbesteuerung
dagegen für notwendig erachtete. In einem aus Ertrags= und Einkommensteuern zu-
sammengesetzten Staatssteuersysteme — so heißt es in jener Denkschrift 4 — falle den
ersteren die Aufgabe zu, das Besitzeinkommen (fundiertes Einkommen), seiner höheren
Stenerkraft entsprechend, vorzugsweise zur Tragung der Staatslasten heranzuziehen.
Diese Aufgabe könnten sie aber nur dadurch erfüllen, daß sie mindestens die das Besitz-
einkommen hervorbringenden Güterquellen — Grundkapital (Grund= und Hausbesitz),
Gewerbebetrieb und Geldkapital — vollständig, einheitlich und mit verhältnismäßiger
Gleichheit, in einem der höheren steuerlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Maße
treffen. Werde auch nur eine dieser Voraussetzungen unerfüllt gelassen, so sei eine
ungleiche und unbillige Vorbelastung des betreffenden Besitzeinkommens die notwendige
Folge. Das bestehende staatliche Realsteuersystem entspreche diesen Anforderungen nicht;
um ihnen zu genügen, würde nicht nur eine Kapitalrentensteuer neu einzuführen, sondern
auch Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuer so umzugestalten sein, daß eine gleichmäßige
Belastung aller Güterquellen eintrete, was insbesondere bei der Grundsteuer die Be-
seitigung der Kontingentierung und die Umwandlung derselben in eine nach dem Ertrage
bemessene Qualitätssteuer erfordern würde. Aber selbst wenn man eine mit den größten
Schwierigkeiten verknüpfte Reform der staatlichen Realsteuern nach den angegebenen
Richtungen hin unternehmen wollte, so würde doch immer nur eine Berücksichtigung der
zeitige Heranziehung aller direkten Staatssteuern 1 Adickes, S. 117.
vor, und weiter: „die Grund= und Gebäudesteuern, 1 Drucks. des A. H., XVII. Legislatur-
sowie die drei obersten Klassen der Steuer vom Heriode, V. Session 1892/93, Bd. II, Nr. 5—8
Betriebe stehender Gewerbe sind jedoch bei der (Berlin 1893); Nr. 5—7 enthält die drei Gesetz-
Gemeindebesteuerung mindestens mit der Hälfte entwürfe in obiger Reihenfolge, Nr. 8 die Denk-
und höchstens mit dem vollen Betrage desjenigen schrift.
Prozentsatzes heranzuziehen, mit welchem die 2 Denkschrift, S. 24, 25.
Staatseinkommensteuer belastet wird“. 4 Denkschrift, S. 9—18.