Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (§. 64.) 
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8. 64. 
b) Leitende Gedanken und allgemeine Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes.! 
1. Der Hauptgrundgedanke des ganzen Kommunalabgabengesetzes ist, wie bereits 
angedeutet, der, daß in der Gemeinde als in einem wesentlich wirtschaftlichen Verbande 
die Lastenverteilung, soweit angängig, nach dem Prinzip von Leistung und Gegen- 
leistung zu erfolgen habe: Alle Einwohner sollen nach dem Maßstabe ihrer Leistungs- 
fähigkeit, d. h. durch Einkommensteuern prinzipiell nur zu denjenigen Ausgaben der 
Gemeinden beitragen, welche auch allen mehr oder minder gleichmäßig zum Vorteile 
gereichen, wie z. B. die Aufwendungen für Schul= und Armenwesen, für die öffentliche 
Sicherheit und ähnliche allgemeine Zwecke. Aufwendungen dagegen, welche in erkennbarer 
Weise im Interesse ein zelner Einwohner oder in dem gewisser Einwohnergruppen gemacht 
werden, sollen nur von diesen nach Verhältnis des ihnen zugewandten Vorteils getragen 
werden.? Es soll stets eine „Ausgleichung“ zwischen Leistung und Gegenleistung 
herbeigeführt werden; Einwohner, welche von der Gemeinde mehr als andere empfangen, 
sind ihr auch zu besonderen Gegenleistungen „Ausgleichungsleistungen“ zu ver- 
pflichten. 
Der Verwirklichung dieser Gedanken dient eine Reihe gesetzlicher Vorschriften, 
zunächst die stärkere Heranziehung der Realabgaben. Ein großer Teil der Ausgaben 
der Gemeinden kommt ausschließlich oder doch vorwiegend den mit der Gemeinde 
dauernd verbundenen Objekten — Grund= und Hausbesitz und Gewerbebetrieb — zu 
gute; dieser soll wesentlich durch Realabgaben, welche auf den bevorzugten Güterquellen 
als solchen ruhen und nicht persönliche Verhältnisse des jeweiligen Inhabers berücksichtigen, 
gedeckt werden. Allein diese allgemeinen Realabgaben können nur da die Ausgleichungs- 
leistung bilden, wo es sich um Vorteile handelt, welche allen Grunbbesitzern bezw. 
allen Gewerbtreibenden in wenigstens annähernd gleicher Weise zukommen; stehen 
dagegen Veranstaltungen in Frage, welche nicht allen Angehörigen der eben. bezeichneten 
Personenkategorien (Straßenanlagen, Markthallen, Schlachthäuser) oder welche auch 
anderen Personenkreisen spezielle Vorteile gewähren (Bade= und Desinfektionsanstalten, 
Begräbnisplätze u. s. w.), so kann die erstrebte Ausgleichung nur durch spezielle Ent- 
gelte herbeigeführt werden. Der Entwickelung dieser hat die neue Gesetzgebung nun 
eine ganz besondere Bedeutung beigemessen und sie in dreifacher Form, nämlich als 
Gebühren, Beiträge und steuerliche Mehrbelastungen zugelassen. Alle drei Arten dieser 
speziellen Entgelte waren zwar schon früher thatsächlich im Gebrauch, aber nur in sehr 
geringem Umfange, denn die Gesetzgebung begünstigte sie nicht, und die Gemeinden 
konnten sich nicht darauf einlassen, ihre Bedürfnisse durch Einnahmen zu decken, denen 
hinterher von den Verwaltungsgerichten oft die gesetzliche Grundlage abgesprochen wurde. 
Das Kommunalabgabengesetz hat nunmehr bestimmte Vorschriften über diese speziellen 
Entgelte aufgestellt und so formell den Gemeinden eine gesicherte Rechtsgrundlage für 
die weitere Ausbildung dieser Einnahmequellen geschaffen; materiell hat es unter Auf- 
rechterhaltung der wenigen diesbezüglich bestehenden Vorschriften die Befugnis der 
Gemeinden zur Erhebung dieser Abgaben durchweg erweitert, ja ihnen in gewissem 
Umfange sogar die Pflicht auferlegt, diese Einnahmequellen zu benutzen. Sind die 
erforderlichen Voraussetzungen gegeben, so kann bei einer und derselben Veranstaltung 
die Erhebung von Gebühren neben einer Erhebung von Beiträgen oder neben einer 
Mehrbelastung erfolgen, wenn durch eine dieser Vorausbelastungen nicht eine volle Aus- 
  
Zu dem Kommunalabgabengesetz erging eine Anhange, enthaltend: die Grundzüge des Kom- 
ministerielle Ausführungs-Anweisung unterm munalabgabengesetzes“ (Berlin, C. Heymanns 
10. Mai 1894, sie ist abgedruckt bei Nöll, Verlag, 1893) und sind auch bei Strut in 
S. 301 ff., und bei Strutz, S. 195 ff. Die der 1. Aufl. (Berlin 1893), S. 166 ff., abgedruckt. 
gleichfalls häufiger zu erwähnenden „Grundzüge“ 2 Denkschrift, S. 15; Ausf. Anw., Art. 39, 
(eit. mit: Grundz.) befinden sich in der amt. II, 2; Grundz., IA. 
lich empfohlenen Druckschrift „Das Kommunal= 2 K. A. G., §§. 4, 6, 9, 20, Abf. 2. 
abgabengesetz vom 14. Juli 1893 nebst einem 
 
	        
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