Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (F. 64.) 245 
VI. Eine weitere Entlastung der Einkommensteuer war endlich ursprünglich durch 
die Einführung von Aufwandsteuern beabsichtigt. Nach dem Entwurf zum Kommunal= 
abgabengesetz sollte die Einkommensteuer ganz oder zum Teil durch Aufwaudsteuern, 
besonders Miets= und Wohnungssteuern ersetzt werden können.! In das Gesetz selbst 
ist diese Vorschrift jedoch in erheblich veränderter Form übergegangen: Nach §. 23, Abs. 2 
dürfen Einkommensteuern nur zum Teil durch Aufwandsteuern ersetzt, und nach §. 23, 
Abs. 3 dürfen Miets= und Wohnungssteuern überhaupt nicht neu eingeführt werden.? 
Damit ist die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers, den Miets= und Wohnungssteuern 
im Gemeindehaushalt eine Bedeutung einzuräumen, geradezu illusorisch gemacht, und es 
ist fraglich, ob den Bestimmungen des §. 23, Abs. 2 überhaupt eine positive Bedeutung 
für die Praxis beigelegt werden kann. Zu den Aufwandsteuern werden allgemein die 
Wohnungs= und Mietssteuern, die Luxussteuern im engeren Sinne, die Lustbarkeits- 
abgaben und die auf den Verbrauch von Nahrungs= und Genußmitteln u. s. w. gelegten 
Verbrauchssteuern gerechnet.3 Eine weitere Ausbildung der Wohnungs= und Mietssteuern 
ist nach §. 23, Abs. 3 des Gesetzes geradezu ausgeschlossen, die übrigen erwähnten Ab- 
gaben fallen aber überhaupt nicht unter §. 23. Das Kommunalabgabengesetz sieht diese 
als indirekte Steuern an", §. 23 handelt dagegen, wie sich schon aus seiner Stellung 
ergiebt, nur von direkten Abgaben, also auch nur von direkten Aufwandssteuern, er hat, 
wie seinerzeit vom Regierungsvertreter in der Kommission des Herrenhauses aus- 
drücklich erklärt wurde, nur Abgaben im Auge, bei denen die Absicht besteht, das Ein- 
kommen zu treffen, bei denen aber diese Absicht nicht unmittelbar dadurch erreicht 
wird, daß eine zahlenmäßige Feststellung des Einkommens stattfindet, sondern mittelbar 
dadurch, daß eine Schätzung des Einkommens nach einem bestimmten Maßstabe, nämlich 
nach dem Aufwande für bestimmte Bedürfnisse vorgenommen wird. Der bisher allein 
gebräuchliche und gleichzeitig sehr einfache Maßstab dieser Art war die Wohnung. Er 
soll in Zukunft nicht mehr verwendet werden. Welche anderen Maßstäbe aber zur 
Schätzung des Einkommens geeignet sind, ist weder im Gesetze selbst angedeutet, noch 
ist in den Kammerverhandlungen ein einziges Beispiel hierfür angeführt worden. Es 
läßt sich ein solches in einer für die Praxis annehmbaren Weise aber auch kaum 
ermitteln, denn die Aufwendungen für die neben der Wohnung wichtigsten Bedürfmisse, 
wie für Essen, Trinken und Kleidung, lassen sich ziffermäßig noch schwerer feststellen als 
das Einkommen selbst und werden daher nicht als Maßstäbe für die Schätzung desselben 
dienen können; auch der Mobiliarbesitz ist schwerer zu ermitteln und dürfte nicht immer 
einen geeigneten Anhalt für die Schätzung des Einkommens bilden. Der Abs. 2 des 
§. 23 wird vermutlich ein Monolog des Gesetzgebers ohne jede praktische Bedeutung 
bleiben, und es wäre besser gewesen, diese unklare Bestimmung in das Gesetz überhaupt 
nicht aufzunehmen.“ 
VII. Die Aufsicht über die Ausübung der gemeindlichen Finanzgewalt ist im 
Interesse der Durchführung der Grundideen des Gesetzes, insbesondere im Interesse 
einer gerechten Lastenverteilung erweitert. Mit Recht geht der Gesetzgeber davon aus, 
daß den Gemeinden wohl eine Freiheit und Selbständigkeit in der Verwendung des 
Steueraufkommens gewährt werden kann, nicht aber in der Steuerverteilung. Fehler 
  
1 Entw., §. 18; Mot. z. K. A. G., S. 50; 
Denkschrift, S. 45, Z. 5. 
: K. A. G., §. 23, Abs. 2 u. 3. Über die be- 
stehenden Mietssteuern vgl. unten §. 85. 
* Wagner, Finanzwissenschaft, II, S. 235; 
Roscher, Finanzwissenschaft, S. 433 ff.; Lehr 
und v. Reitzenstein in Schönbergs Hdbch. d. 
polit. Ok., III, S. 340 ff. u. 726 ff. 
* Die Verbrauchsabgaben, Lustbarkeits= und 
Hundesteuern werden im Ges., §§. 14, 15 u. 16, 
ausdrücklich als indirekte Abgaben bezeichnet. 
Hinsichtlich der übrigen Luxussteuern — die 
Hundesteuer ist die gebräuchlichste Art derselben — 
erwähnt das Gesetz zwar nichts, aber man war 
sich bei den Beratungen darüber einig, daß auch 
  
sie zu den indirekten Steuern zu zählen seien 
und nicht durch §. 23 betroffen werden. Komm. 
Ber. des H. H., S. 15 u. 16. 
5 In der Komm. des H. H. wurde auf Be- 
fragen von dem Regierungsvertreter nur gesagt: 
„Allerdings sei die Wohnung in dieser Be- 
ziehung ein besonders gebräuchlicher Maßstab, 
welcher nunmehr in Wegfall komme; es seien 
aber immerhin noch andere Maßstäbe zu finden, 
nach denen das Einkommen geschätzt werden könne, 
die Bestimmung des Entwurfs sei daher keines- 
wegs überflüssig.“ Komm. Ber. des H. H., S. 16. 
* Vgl. Nöll, S. 49 ff., Anm. 4; Strutz, 
S. 72 ff., Anm. 4; Adickes, S. 330 ff., 
Anm. 2—4.
	        
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