Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

256 Zweiter Abschnitt. (8. 66.) 
III. Die Vergütungen, welche die Gemeinden in Badeorten, klimatischen und sonstigen 
Kurorten für die Herstellung und Unterhaltung ihrer zu Kurzwecken getroffenen Ver- 
anstaltungen erheben, hatten bisher einen lediglich privatrechtlichen Charakter und konnten 
daher nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts auch nur im ordentlichen 
Civilrechtswege eingezogen werden.I Dies war als ein großer Mangel empfunden 
worden, dem durch das neue Kommunnalabgabengesetz abgeholfen werden sollte. „Man 
verkannte dabei nicht, daß die Kurtaxen, indem sie vielfach nicht den wirklichen Mitgenuß 
der in Badeorten getroffenen Veranstaltungen zur Voraussetzung haben, nicht eigentlich 
zu den Gebühren im Sinne des §. 4 (des Gesetzes) zu rechnen sind“, und sah sich 
daher genötigt, besondere Bestimmungen über sie aufzunehmen. Demgemäß ist den 
Gemeinden ausdrücklich allgemein die Ermächtigung zur Erhebung solcher Kurtaxen 
erteilt? und damit die bisher fehlende öffentlich -rechtliche Grundlage für dieselben ge- 
schaffen worden. Gleichzeitig ist bestimmt, daß diese Taxen der Beitreibung im Ver- 
waltungszwangsverfahren nach Maßgabe der Verordnung v. 7. Sept. 1879 (G. S., 
S. 591) unterliegen sollen, sofern der Tarif von der Aufsichtsbehörde festgestellt ist." 
Der Rechtscharakter dieser Kurtaxen ist ein sehr zweifelhafter. Als rein privat- 
rechtliche Entgelte können sie kaum mehr aufgefaßt werden, nachdem den Gemeinden die 
gesetzliche Ermächtigung zu ihrer Erhebung erteilt, und somit eine öffentlich-rechtliche 
Grundlage für sie geschaffen ist“; von den Gebühren aber, denjenigen öffentlichen Ab- 
gaben, welchen sie am nächsten stehen, unterscheiden sie sich dadurch, daß die Pflicht zur 
Zahlung der Vergütungen nicht durch eine speziell dem Verpflichteten prästierte Leistung 
der Gemeinde bedingt, und daß ferner die Beitreibung dieser Vergütungen im Verwaltungs- 
zwangsverfahren nur unter der Voraussetzung gestattet ist, daß der Tarif von der 
Aufsichtsbehörde festgestellt ist. 
Die Kommission des Abgeordnetenhauses bezeichnete rie 
Kurtaxen mit Rücksicht hierauf als „uneigentliche Gebühren“. 
  
1 Es handelte sich um eine im Jahre 1884 
von einer Landgemeinde in den östlichen Pro- 
vinzen erhobene Kurtaxe. Das O. V. G. ent- 
schied zunächst, daß diese Taxe keine Steuer sei. 
„Als ein charakteristisches Merkmal der Steuern 
gilt in Theorie und Praxis, daß dieselben zur 
Bestreitung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der 
Gemeinden ohne Rücksicht auf die besondere 
Gegenleistung erhoben werden, und unterscheiden 
sich dieselben eben dadurch von den unter dem 
Namen von Gebühren im weiteren Sinne be- 
griffenen besonderen Abgaben (Auflagen) für 
Benutzung von Gemeindeanstalten ..., welche 
ihrem Wesen nach als ein Entgelt für die durch 
diese Benutzung den Privaten erwachsenen Vor- 
teile und Annehmlichkeiten anzusehen sind, und 
deren Höhe nach dem Umfange der Benutzung 
bemessen wird.“ Für eine Gebühr wurde die 
Taxe aber nicht gehalten, „weil die Landgemein- 
den der östlichen Provinzen zur Erhebung 
sogen. Kurtaxen oder ähnlicher Gebühren weder 
durch besondere Vorschrift, noch durch das im 
Ges. v. 14. April 1856 (G. S., S. 349) kodi- 
fizierte Statutenrecht ermächtigt“ waren, und sie 
wurde daher als eine dem Verwaltungsstreit- 
verfahren entzogene privatrechtliche Ein- 
nahme der Gemeinde angesehen. O. V. G., 
XIII, S. 229. Auf demselben Standpunkte 
stand die Ausf. Anw. III zur L. G. O. ö. unter 
B, VII, 2. 
2 K. A. G., §. 12; Komm. Ber. des A. H. zu 
Za des Entw.; Stenogr. Ber. des A. H., 
1984. 
* K. A. G., §. 90. Die zuständigen Aufsichts- 
behörden sind die Bezirks= bezw. Kreisausschüsse. 
Ausf. Anw., Art. 58. Eine allgemeine Geneh- 
migung wurde für die Kurtaxen nicht gefordert, 
8g. 
⁊ 
S. 
  
„weil unter Umständen zwischen Kurtaxen und 
den mit den Kurorten in Verbindung stehenden 
gewerblichen Anlagen schwer zu unterscheiden sei, 
und eine Genehmigung des Tarifs über diese 
Vergütungen dann überall nachgesucht werden 
müsse, wenn die Gemeinde die Möglichkeit einer 
Beitreibung derselben im Verwaltungszwangs- 
verfahren . beabsichtige“. Stenogr. Ber. des 
H. H., S. 11. 
“ So auch Nöll, S. 33. And. Ans. dagegen 
die Regierung, Ausf. Anw., Art. 58, Abs. 2: „an 
sich lediglich privatrechtliche Einnahmen“. Wenn 
sie aber „lediglich privatrechtliche Einnahmen“ 
bleiben sollten, warum sind sie dann unter der 
Rubrik „Gebühren und Beiträge“, Tit. II, 
§#. 4— 12, behandelt und nicht im Anschluß an 
g. 3, der es ja mit lediglich privatrechtlichen Ein- 
nahmen zu thun hat, geregelt? 
* Für die Nachforderung von Kurtaxen grei- 
fen, da §. 87 des K. A. G. sich nicht auf diese 
bezieht (s§. 87, Abs. 1, Z. 2 verweist ausdrück- 
lich nur auf die S§. 4—11), die allgemeinen 
Bestimmungen Platz; der Regierungsvertreter 
meinte die civilrechtlichen Verjährungsfristen, 
die Komm. des A. H. dagegen die öffentlich- 
rechtlichen Bestimmungen (Komm. Ber. des A. H. 
zu §§. 67— 72 des Entw.). Es kommt ganz 
darauf an, welchen Charakter man den Kur- 
taxen beilegt. Hält man sie für öffentliche Ab- 
aben, so kommen auch die öffentlich-rechtlichen 
estimmungen zur Anwendung, und es gilt dann 
Folgendes: Nachforderungen finden bei ibnen 
nicht statt, da §.87 sie ausdrücklich „(§SS§. 4 bis 11)“ 
ausschließt; sind sie zur Hebung gestellt, so ver- 
jähren sie nach §. 88, indem sie unter die „Ge- 
meindeabgaben“ fallen. 
* Sind die Kurtaxen reichsrechtlich unzulässig,
	        
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