Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (§. 88.) 319 
vorstandes. Inhaltlich darf die Klage nicht auf etwas anderes und auch nicht auf 
mehr gehen als der Einspruch; dieser bestimmt die Maximalgrenze der Klageforderung.? 
Die Beweislast verteilt sich in diesem Verfahren derart, daß die die Abgabe fordernde 
Gemeinde zu behaupten und zu beweisen hat, auf welche Thatsachen die von dem 
Kläger bestrittene Leistungspflicht ihr gegenüber begründet ist 3, während der Kläger alle 
diejenigen Thatsachen behaupten und beweisen muß, auf welche er seinen Freilassungs- 
oder Ermäßigungsanspruch gründet.“ Die Entscheidung, bei welcher der Verwaltungs- 
richter nicht nur den Inhalt und die Begründung des Bescheides, sondern auch die 
Rechtmäßigkeit der Heranziehung und Veranlagung seinerseits zu prüfen und festzustellen 
hat 3, muß in jeder Beziehung eine erschöpfende sein. Der Verwaltungsrichter darf sich 
daher nicht darauf beschränken, Grundsätze für die Veranlagung aufzustellen, er darf die 
Sache nicht an den Gemeindevorstand zur nochmaligen Beschlußfassung zurückweisen, auch 
darf er nicht dahin erkennen, daß Kläger „zur Zeit“ von der geforderten Abgabe frei- 
zulassen sei. — Die Entscheidung kann vielmehr nur einen dreifachen Inhalt haben: 
sie hat entweder die definitive Freilassung des Klägers, oder die Abweisung der Klage, 
oder eine ziffermäßig ausgedrückte, bezw. mittels einfacher rechnerischer Operation zu 
ermittelnde Herabsetzung der geforderten Abgabe auszusprechen.“ Gegen die Entscheidung 
des Kreisausschusses findet binnen zwei Wochen nach Zustellung derselben die Berufung 
an den Bezirksausschuß statt; gegen die Entscheidung des letzteren ist stets — auch wenn 
er bei Stadtgemeinden in erster Instanz entscheidet — nur das Rechtsmittel der Revision 
bei dem Oberverwaltungsgericht zulässig. 
In dem Streitverfahren vor diesen Verwaltungsgerichten sind auch Streitigkeiten 
der Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Verpflichtung zu den hier 
in Rede stehenden Gemeindelasten zu erledigen. Die Klage, welche eine solche Feststellung 
der Verpflichtung bezweckt, setzt eine Heranziehung oder Veranlagung oder einen Beschluß 
des Gemeindevorstandes nicht voraus, sie braucht sich auch nicht auf einen konkreten 
Hebungs fall zu beziehen, sondern kann die Abgabepflicht im allgemeinen betreffen.? 
II. Ein besonderes Rechtsmittelverfahren besteht für die Anfechtung der Verteilung 
des Einkommens auf eine Mehrzahl von Gemeinden und Gutsbezirken zum Zwecke der 
Besteuerung. Glaubt jemand, daß die Heranziehung seines Einkommens in mehreren 
Gemeinden zu unrichtigen Quoten erfolgt, er also einer unzulässigen Doppelbesteuerung 
ausgesetzt ist, so kann er bei dem Kreisausschuß oder, wenn Stadtgemeinden in Betracht 
kommen, bei dem Bezirksausschuß 10 eine Beschlußfassung über die vorschriftsmäßige Ver- 
teilung seines Einkommens auf die einzelnen Gemeinden beantragen. Ortlich zuständig 
ist derjenige Kreis= bezw. Bezirksausschuß, in dessen Bezirk die beteiligten Gemeinden 
belegen sind; liegen diese in den Bezirken verschiedener Beschlußbehörden, so bestimmt der 
Regierungspräsident, der Oberpräsident oder der Minister des Innern die zuständige 
Behörde, je nachdem die Belegenheitsbezirke demselben Regierungsbezirke, derselben 
Provinz, aber verschiedenen Regierungsbezirken oder verschiedenen Provinzen angehören.11 
Die Frist für die Stellung dieses Antrages seitens des Steuerpflichtigen beträgt 
vier Wochen, und zwar beginnt sie zu laufen das erste Mal vom Tage der Bekannt- 
  
1 O. V. G., VI, S. 129, und VII. S. 147. 
Auch gegen einen den Einspruch als verspätet 
zurückweisenden Eschuß findet die Klage statt. 
O. V. G., , S. 6 
2 O. V. G., Xll, —# S. 1; jedoch 
kann die Klage auch nachträglich noch lerool- 
ständigt und berichtigt werden. O. V. G., 
S. 55; IX, S. 11; XlI, S. 66 u. 70; XV, 
S. 127. 
7 K. A. G., §. 70; Zust. G., 88. 21, 37. 
s über zahlreiche weitere bierber gehörige Ent- 
scheidungen des O. V. G. vgl. Nöll, S. 222 ff., 
Anm. 8 u. 9, und v. Brauchitsch, I, die 
Anm. zu 88. 18 u. 34 des Zust. G. 
S. 175; IV, S. 356; VI, S. 223; VII. S. zeu. 
VIII, é * IX, S. 82, und Entsch. im Pr. 
B. BI., , S. 122. 
1 O. 7 G., XV, S. 51. 
* O. V. G., XIV, S. 137; auch über den 
Befreiungsgrund der Tilgung und Verjährung 
entscheidet das Verwaltungsgericht, §. 160 des 
Zust. G. und dazu O. V. G., XVII, S. 217. 
* O. V. G., V, S. 102. 
* Ugl. O. V. G., II, S. 54; III, S. 13; V, 
  
* K. A. G., §. 70, Abs. 3; Zust. G., §8. 18, 
34; v. Brauchitsch, 1. Anm. 56 zu §. 18, 
— Nöll, S. 226, Anm. 12. 
10 Auch wenn die Stadt Berlin in Betracht 
kommt, ist der Bezirksausschuß zustindig. K. A. 
G., §. 71, Abs. 1; L. V. G., §. 43 „Abs. 3. 
11 Der Minister des IJnnern bestimmt den 
örtlich zuständigen Bezirksausschuß stets, wenn 
Berlin beteiligt ist. K. A. G., S. 71, Abfk. 4 
L. V. G., §. 58.
	        
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