Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (F. 90.) 327 
II. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so kann die Arbeiterwohnsitzgemeinde von 
der Betriebsgemeinde einen angemessenen Zuschuß verlangen. Bei Bemessung des- 
selben sind besonders zu berücksichtigen, einerseits die Höhe der Mehrausgaben der den 
Anspruch erhebenden Gemeinde und die ihr aus dem Betriebe nachweisbar erwachsenden 
Vorteile 1, andererseits der Betrag der direkten Steuern, welche die Betriebsgemeinde von 
den betreffenden Betrieben erhebt. Mehr als die Hälfte dieses Betrages dürfen die 
Zuschüsse der Betriebsgemeinde in keinem Falle betragen. 
Liegt der Betrieb in einem Gutsbezirke, so ist der Anspruch gegen den Gewerbe- 
treibenden, mag dieser der Gutsbesitzer selbst oder ein anderer sein, zu richten; der zu 
zahlende Zuschuß darf in diesem Falle den vollen Satz der staatlich veranlagten Gewerbe- 
steuer nicht übersteigen.? 
III. Behufs Feststellung der Existenz und Höhe des Anspruchs verweist das Gesetz 
zunächst auf die gütliche Einigung der Beteiligten, welche sich im voraus auf mehrere 
Rechnungsjahre erstrecken kann.3 Ist eine solche nicht zu erzielen, so beschließt über den 
Anspruch der Kreisausschuß, soweit eine Stadtgemeinde beteiligt ist, der Bezirksaus- 
schuß"; gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche 
Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren statt. 
Eine Frist für Anbringung des Anspruchs schreibt das Gesetz nicht vor. Jeden- 
falls ist er im Laufe des Rechnungsjahres zu erheben; eine Nachforderung von Zuschüssen 
für bereits abgelaufene Rechnungsjahre ist dadurch ausgeschlossen, daß die Höhe der- 
selben sich nach den von den betreffenden Betrieben erst „zu erhebenden (nicht er- 
hobenen) direkten Gemeindesteuern“ richtet. Andererseits kann aber über den Anspruch 
erst entschieden werden, nachdem das Soll dieser maßgebenden Steuerbeträge festgestellt 
ist, auch darf sich die Entscheidung nur auf das laufende Rechnungsjahr erstrecken, 
denn nur für dieses ist jenes die Maximalhöhe bestimmende Soll festgestellt.5 
) Die Wanderlagersteuer.“ 
Die Wanderlagersteuer ist eine Abgabe, welche auf Grund des Gesetzes v. 27. Febr. 
1880 (G. S., S. 174)7 für den Betrieb eines Wanderlagergewerbes s erhoben wird. 
Sie fließt in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern diesen direkt zu, wird in 
kleineren Ortschaften dagegen für die Kreise vereinnahmt, welche sie im Interesse der 
Gemeinden und Gutsbezirke verwenden sollen. Unterworfen ist dieser Abgabe jeder, der 
außerhalb seines Wohnortes und ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung? 
  
1 Nach dem Wortlaute des Ges. sind nur 
maßgebend die der Gemeinde als solcher er- 
wachsenden Vorteile, so z. B. die Abgaben, welche 
die Gemeinde von den Arbeitern und Angestell- 
ten des Betriebes erhebt, nicht aber die einzel- 
nen Gemeindeangebörigen erwachsenden Vor- 
teile, wie die Grundz., a. a. O., 2, annehmen. 
Bgll. Nöll, S. 190, Anm. 19; Ausf. Anw., 
Art. 38, Z. 1, b. 
: Ausf. Anw., Art. 38, Z. 2. Liegt in dem 
betreffenden Bezirke nur ein Teil eines sich über 
mehrere Bezirke erstreckenden Betriebes, so bildet 
der auf diesen Teil des Gesamtbetriebes ent- 
fallende Teilbetrag der für den ganzen Betrieb 
veranlagten Gewerbesteuer die Maximalgrenze 
des Zuschusses. 
* Diese Einigung bedarf keiner besonderen 
Genehmigung nach §. 77 des K. A. G. Nöll, 
S. 191, Anm. 26; Grundz., a. a. O., 3. 
"Auch wenn die Stadt Berlin beteiligt ist, 
ist der Bez. A. zuständig. Die örtlich zuständige 
Behörde wird eventuell nach den oben S. 319 
unter II mitgeteilten Vorschriften bestimmt. 
*7 G., §. 53, Abs. 3 u. 4. Vgl. auch L. V. G., 
8. « 
* Nöll, S. 191, Anm. 24, 25; Ausf. Anw., 
  
Art. 38, Z. 3, 4 u. 5; Grundz., a. a. O., 3 u. 5; 
Komm. Ber. des H. H., S. 31; Komm. Ber. 
des A. H., S. 162, Nr. 4. 
* Leidig, S. 331; Steffenhagen, §. 127; 
Lexis, Wandergewerbe und Wanderlager, in 
v. Stengels Wörterbuch, II, S. 861 ff. 
7 Das Ges. gilt auch in den Hohenzollern-= 
schen Landen, es finden jedoch auf alle dor- 
tigen Gemeinden, ohne Rücksicht auf ihre Ein- 
wohnerzahl, die für Gemeinden mit nicht mehr 
als 2000 Einwohnern gegebenen Vorschriften 
Anwendung. Zum Ges. erging eine Ausf. Anw. 
unterm 4. März 1880. Erläuterungen und Ent- 
scheidungen zu dem Ges. giebt Illing, Hand- 
buch f. preußische Verwaltungsbeamte .. II, 
5. Aufl. (Berlin 1892), S. 529 ff. 
Ein Wanderlagerbetrieb liegt vor, wenn 
Waren außerhalb des Wohnortes des Unter- 
nehmers und ohne Begründung einer gewerb- 
lichen Niederlassung, jedoch nicht wie beim ge- 
wöhnlichen Haufiergewerbe von Haus zu Haus, 
sondern von einer festen Verkaufsstätte aus feil- 
geboten werden. 
* Werden zwar die gesetzlichen Förmlichkeiten 
des Wohnsitzes oder einer gewerblichen Nieder- 
lassung erfüllt, ergeben aber die Umstände, daß
	        
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