Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 92.) 331
8. 92.
C. Die außerordentlichen Einnahmen.!
Zu den außerordentlichen Einnahmen der Gemeinden gehören diejenigen, welche
ihnen aus der Veräußerung von Substanzteilen des Gemeindevermögens, aus Schenkungen
und aus der Aufnahme von Anleihen zufließen. Hier sind nur die beiden letztgenannten
Arten zu besprechen; die Veräußerung von Substanzteilen des Gemeindevermögens ist
bereits oben S. 212 ff. erörtert worden.
1) Über den Erwerb von Schenkungen seitens der Gemeinden bestehen keine beson-
deren Vorschriften, nur bedürfen Gemeinden zur Annahme derselben ebenso wie andere
juristische Personen der königlichen Genehmigung nach Maßgabe des Gesetzes v. 23. Febr.
1870 (G. S., S. 118), wenn der Wert der Schenkung 3000 Mark übersteigt.? Ob
die Gemeinde eine Schenkung annehmen will, ist im allgemeinen ihrer freien Entschließung
überlassen; erst wenn sie sich für die Annahme entschieden hat, ist die erforderliche Ge-
nehmigung des Königs nachzusuchen. Eine Ausnahme hiervon besteht im Gebiete des
französischen Rechts, wo die Gemeinden verpflichtet sind, für Schenkungen, die ihnen zu
Gunsten ihrer Spitäler oder ihrer Armen gemacht werden, die Genehmigung nachzu-
suchen und bei Erteilung derselben die Schenkungen anzunehmen.
2) Jede Gemeinde ist befugt, sich Mittel zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse und zur
Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten durch Aufnahme von Anleihen und Kontrahierung
von Gemeindeschulden zu beschaffen. Zur Aufnahme solcher Anleihen, durch welche
die Gemeinde mit einem Schuldenbestande belastet oder der vorhandene vergrößert wird,
ist jedoch stets die Genehmigung des Bezirks= bezw. Kreisausschusses erforderlich; in
Hannover muß auch die Abtragung der Schulden stets nach einem regelmäßigen Plane
erfolgen.“ Will eine Gemeinde behufs Begebung einer Anleihe Papiere ausgeben, auf
Grund deren sie verpflichtet ist, jedem Inhaber derselben eine bestimmte Summe zu
zahlen, so bedarf sie hierzu eines besonderen königlichen Privilegiums, welches die recht-
lichen Wirkungen bestimmt und seinem ganzen Inbalte nach durch das betreffende Regie-
rungsamtsblatt bekannt gemacht werden muß.
1 Leidig. S. 195 u. 337 ff.; v. Möller,
St., §. 108; L., S. 87; Steffenhagen, F. 114.
* Über die Berechnung des Wertes von
Schenkungen, die in fortlaufenden Leistungen.
bestehen, und über die Bestrafung der Annahme
solcher Schenkungen ohne vorherige Genehmigung,
ogl. das Ges. v. 23. Febr. 1870, §§. 2 u. 5.
: Code civ., Art. 937: „Les dotations faites
au profit d’hospices, des pauvres d'une com-
mune, ou d’établissements d'utilité publique,
seront acceptées par les administrateurs de
ces communes ou établissements, apres y
Avoir é6i düment autorisées.“
* In Berlin hat der Oberpräsident die Ge-
nehmigung zu erteilen. St. O. ö., wiesb., §. 50,
3. 3; w., §9. 49, Z. 3; rh., §. 46, Z. 3; frkf.,
g. 60, Z. 3; schlesw.-holst., §. 71, Z. 3; hann.,
§. 97, Z. 3, §. 117, Abs. 2, u. 8. 119, Z. 2;
L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 114; w., §F. 53,
3Z. 3; rh., 8. 97. Der letztgenannte §. bestimmt
noch ausdrücklich:„Die Genehmigung zu Anleihen
soll nur dann erteilt werden, wenn für einen
sicheren Zinsen= oder Tilgungsfonds gesorgt ist.
Desgleichen sind Prolongationen von Anleihen
und Abweichungen von dem genehmigten Til-
gungsplan an die Einwilligung des Kreisaus-
schusses gebunden.“
Üüber die Konvertierung von Anleihen vgl.
auch den M. Erl. v. 18. März 1888 (V. M. 8l.,
S. 101), nach welchem, falls im Tilgungsplan
nicht vorgesehen ist, daß die Tilgung der Anleihe
nicht nur in Form der Auslosung, sondern auch
im Wege des freihändigen Ankaufs von An-
leihescheinen erfolgen kann, und hinterher auch
auf diese Weise die Tilgung der Schuld gewünscht
wird, eine neue die alte ersetzende Anleihe auf-
genommen werden muß.
Betreffs Ausstellung der Schuldurkunden vgl.
oben S. 133 u. 194.
* Ges. v. 17. Juni 1833 wegen Ausstellung
von Papieren, welche eine Zahlungsverpflichtung
an jeden Inhaber enthalten (G. S., S. 75).
Vdg. v. 17. Sept. 1867, betr. die Einführung
des Ges. wegen Ausstellung von Papieren,
welche eine Zadlungsverpflichtung an jeden In-
haber enthalten, v. 17. Juni 1833 in die durch
die Gesetze v. 20. Sept. und 24. Dez. 1866
der preußischen Monarchie einverleibten Landes-
teile (G. S., S. 1518). Betreffs der Publika-
tion des Privilegiums vgl. Ges. v. 10. April
1872 (G. S., S. 357), s. 1, Z. 19. — Inhaber-
papiere mit Prämien dürfen von Gemeinden
überhaupt nicht ausgegeben werden, R. G. v.
8. Juni 1871 (R. G. Bl., S. 210), S. 1.