Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 96.) 347 
vorstehers ebenso wie der Gemeindevorsteher nicht kraft eigenen Rechtes, sondern nur 
auf Grund staatlicher Üübertragung aus, er ist als Gutsvorsteher ebenso wie der Ge- 
meindevorsteher ein mittelbarer Staatsbeamter, der staatlicher Bestätigung bedarf und 
disziplinarisch zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden kann. 
Aus diesem Verhältnis der Gutsvorsteherschaft zur Gutsbesitzerschaft erklären sich die 
Vorschriften über die Stellvertretung des Gutsbesitzers in den Gutsvorstehergeschäften. 
Abgesehen davon, daß bei Gütern, welche Ehefrauen, unter väterlicher Gewalt stehenden 
oder bevormundeten Personen gehören, die obrigkeitlichen Rechte und Pflichten für diese 
kraft Gesetzes durch ihre Ehemänner, Väter oder Vormünder ausgeübt werden, giebt 
es zwei Arten der Stellvertretung, die freiwillige und die notwendige. Für beide 
ist zu merken, daß der Stellvertreter den Gutsbesitzer nur als Gutsvorsteher vertritt 
und nicht etwa auch gesetzlicher Vertreter des Gutsbesitzers für alle vermögensrechtlichen 
Verhältnisse ist, welche sich für diesen nach den öffentlich-rechtlichen Normen aus seiner 
Stellung als Gutsherrschaft ergeben.! Im einzelnen gilt Folgendes: 
1) Jeder zum Gutsvorsteher befähigte Besitzer eines selbständigen Gutes kann die 
Gutsvorstehergeschäfte entweder in Person oder durch einen von ihm zu bestellenden, zur 
Übernahme des Amtes als Gutsvorsteher befähigten Stellvertreter besorgen. Dieser muß 
seinen beständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe haben. 
Es kann jedoch auch der. Vorsteher einer benachbarten Gemeinde, wenn er und 
die Gemeinde damit einverstanden sind, von dem Besitzer des Gutes mit der Stellver- 
tretung betraut werden.' Ihrem Umfange nach kann die Stellvertretung eine univer- 
selle oder eine nur partielle sein; der Stellvertreter kann so bestellt werden, daß er mit 
der Wahrnehmung sämtlicher Gutsvorstehergeschäfte dauernd und ausschließlich betraut 
wird, oder so, daß er für den Gutsbesitzer nur im Falle der Behinderung so weit und 
so lange eintritt, als ihm dies aufgetragen wird. 
2) Die Bestellung eines Stellvertreters ist wegen persönlicher Unfähigkeit des 
Gutsbesitzers zur Verwaltung der Gutsvorstehergeschäfte als notwendig vorge- 
schrieben, wenn: 
a) das Gut unverheirateten oder verwitweten Besitzerinnen, einer juristischen Per- 
son, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Berggewerk- 
schaft oder einer eingetragenen Genossenschaft gehört, oder wenn mehrere Besitzer sich 
nicht darüber einigen, wer von ihnen die Geschäfte wahrnehmen soll, 
  
1 Daher sind z. B. Aufforderungen wegen 
Instandsetzung eines Weges nicht an den Guts- 
vorsteher des Gutsbezirks, dessen Besitzer zur 
Unterhaltung des Weges verbunden ist, sondern 
an den Besitzer direkt zu richten. O. V. G., VI, 
S. 206, 210; IX, S. 134; XVIII, S. 216. 
Vgl. auch XXI, S. 10. Anders liegt es bei 
der Armenpflege. Der gesetzliche Vertreter des 
Gutsarmenverbandes ist nur der zur Verwaltung 
der öffentlichen Armenpflege berusene Guts- 
vorsteher, nicht der Gutsbesitzer, der die 
aus der Verwaltung der Armenpflege hervor- 
gehenden finanziellen Verpflichtungen schließlich 
zu tragen hat. Entscheidungen des Bundes- 
amtes für das Heimatswesen, VII, S. 33; 
VIII, S. 135; XII. S. 36; XV, S. 127; 
XVI, S. 171; XVIII, S. 155; XIX, S. 149; 
XX, S. 177. — Der Gutspächter ist nicht 
schon deshalb zur Vertretung des Gutsarmen- 
verbandes befugt, weil er in dem Pachtvertrage 
die Kosten der öffentlichen Armenpflege über- 
nommen hat. Entscheidungen des Bundesamtes 
f. d. Heimatswesen, V, S. 113; VIII, S. 136. 
2 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., 8. 123; Kr. O. 
bann., §. 36; hesf.= nass., 8. 37. Für die öst- 
lichen Provinzen, wo in früherer Zeit die 
Gutsherren häufig fortlaufende Geld= und 
  
Naturalbeiträge zur Remuneration benachbarter 
Gemeindevorsteher leisteten oder auch Landdota- 
tionen für die Verwaltung des Schulzenamtes 
ausgewiesen hatten, enthält die L. G. O. ö., 
§. 86, im Anschluß an die Kr. O. ö., §. 28, über 
Beseitigung bezw. Fortbestehen dieser Verhält- 
nisse folgende Bestimmungen: Während die 
Geld= und Naturalbeiträge fortfallen, können 
die Landdotationen nicht zurückgefordert werden. 
Sind Landdotationen allein oder in Verbindung 
mit Geld= und Naturalbeiträgen von dem Guts- 
herrn gewährt, so ist derselbe berechtigt, bierfür 
von dem Gemeindevorsteher auch ferner die 
Wahrnehmung der Geschäfte des Gutsvorstehers 
oder die Vertretung hierbei in dem bisherigen 
Umfange zu fordern. — Der Gutsherr wie die 
Gemeinde kann Lösung eines derartigen Ver- 
hältnisses gegen Wegfall der Geld= und Natural- 
beiträge und gegen Entschädigung für die Land- 
dotation verlangen. Der Gemeinde steht dabei 
das Recht zu, statt der Gewährung einer Ent- 
schädigung die Landdotationen herauszugeben. 
Die Auseinandersetzung erfolgt nach den oben 
S. 189, Anm. 3, angegebenen, für die Ausein- 
andersetzung zwischen Gemeinden und Schulzen- 
gutsbesitzern geltenden Vorschriften.
	        
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