Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

362 Dritter Abschnitt. (F. 101.) 
in Bezirke eingeteilt werden, innerhalb welcher die angesessene Ritterschaft, so oft es er- 
forderlich war, zur Wahlversammlung zusammentrat. Bei Abgrenzung dieser Wahlbezirke 
schloß man sich an die bestehenden Amtsbezirke der Landreiter an, welche das ganze 
flache Land netzartig überzogen; die Beritte dieser landesherrlichen Exekutivbeamten bilde- 
ten im 16. Jahrhundert die einzige allgemeine Verwaltungseinteilung des Landes — 
die ältere Vogteiverfassung war in Auflösung geraten, die #mter oder Vogteien waren 
veräußert, in Pfandschaft gegeben, oder ihre Sprengel waren doch durch Exemtionen zu 
Gunsten der Grundherren durchbrochen. Daher wurden die Beritte zu Wahlbezirken 
bestimmt, und die einzelnen Landreiter hatten die Rittergutsbesitzer ihres Bezirks ein- 
tretenden Falles zu den Wahlen zu berufen. 
Aus diesen lediglich für die Wahlen zu den Ausschüssen der Landtage ins Leben 
gerufenen Zusammenkünften der Rittergutsbesitzer bestimmter territorialer Bezirke, den 
sogen. Creyßversammlungen haben sich allmählich die Kreisverbände zu eigenen stän- 
dischen Körperschaften entwickelt, welche immer weitere Angelegenheiten an sich zogen oder 
zur Erledigung überwiesen erhielten. Zunächst wurde ihnen die Feststellung der Grund- 
sätze übertragen, nach welchen die vom Kreise aufzubringenden direkten Steuern und 
Leistungen umgelegt werden sollten, indem der Landtag oder der Ausschuß nur die Ver- 
teilung auf die einzelnen Kreise, nicht aber die Unterverteilung vornahm. Bald wandte 
der Landesherr sich auch mit Übergehung der Landtage und ihrer Ausschüsse direkt an 
die Kreisstände wegen der Bewilligung von Abgaben oder behufs Beratung lokaler 
Angelegenheiten; anfänglich remonstrierten die Landstände dagegen, später jedoch begaben 
sie sich vielfach des ursprünglich ihnen ausschließlich zustehenden Rechtes der Steuer- 
bewilligung? zu Gunsten der Kreisstände. 
Im 17. Jahrhundert traten an die Spitze der Kreise, zunächst als ständige Ver- 
treter der Kreisstände, die von dem Kurfürsten auf Vorschlag der Stände ernannten 
Landkommissare oder Kreisdirektoren; mit Vorliebe wurde dieses Amt den für den Land- 
tagsausschuß gewählten „Kreisverordneten“ oder „Landräten“ üÜbertragen, und so 
wurde der Titel „Landrat“, der allgemein für der ehrenvollere galt, mehr und mehr 
zum Amtstitel des Kreisdirektors. 3 Der Kurfürst benutzte viese Kreisdirektoren oder 
Landräte anfänglich nur zur Mitteilung seiner Anträge und Forderungen an die Kreis- 
stände, seit dem Dreißigjährigen Kriege und der Einführung eines stehenden Heeres 
übertrug er ihnen aber die Sorge für das Aufkommen der Kriegskontribution auf dem 
flachen Lande und seit der Mitte des 17. Jahrhunderts auch verschiedene Zweige der 
ländlichen Polizeiverwaltung und die Aufsicht über die gutsherrliche Verwaltung. Damit 
begann die Umwandlung dieser ursprünglich rein ständischen Beamten in landesherrliche, 
welche unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen zur Vollendung geführt 
wurde. 
ühnlich wie in der Mark Brandenburg hatte sich bereits zu Zeiten des Großen 
Kurfürsten in Pommern und Magdeburg eine Kreisverfassung entwickelt, welche auf 
ständischer Grundlage beruhte, jedoch einen landesherrlich bestätigten und landesherrliche 
Geschäfte verrichtenden Beamten an ihrer Spitze hatte. Im 18. Jahrhundert wurde 
diese Kreisverfassung auf weitere Gebietsteile des Staates ausgedehnt, zunächst durch 
Friedrich Wilhelm I. auf das Fürstentum Halberstadt und auf das Kammerdepartement 
Minden" und dann durch Friedrich den Großen auf Schlesien und Ostfries- 
land. Auch Ost= und Westpreußen, Kleve-Markk und die neueren Erwerbungen, 
Südpreußen, Neuostpreußen, Franken und die Entschädigungslande erhielten 
sogen. Kreisverfassungen 5; allein diese waren wesentlich verschieden von der märkischen, 
nur das bureaukratische Element derselben, der Landrat mit seinen Unterbeamten, 
wurde hier eingeführt, nicht das ständische, der Kreiskonvent oder Kreistag; nach langem 
Drängen wurden den Ständen in Ostpreußen und Westpreußen zwar Kreistage 
zugestanden, aber nur mit beratender Stimme und ohne jede Teilnahme an der Ver- 
  
Schröder, S. 815 ff.:; Vernhack, Gesch., * Bornhack, Gesch., II, S. 38 ff.; St. R., 
I, 82 0 St. R., II, F 252 II, S. 255. 
2 Bornhack, Gesch., 1 , S. 271. 5* Bornhack, Gesch., II, S. 164—171. 
* Schröder, S. bicr Bornhack, Gesch., I, * Bornhack, Gesch., II, S. 292 ff.; E. Meier, 
S. 276; St. N., II, S. 252 ff. S. 102. »
	        
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