26 Zweiter Abschnitt. (8. 6.)
heiten für sie zu besorgen und in betreff des gemeinschaftlichen Vermögens, der Rechte
und der Verbindlichkeiten der Stadt und der Bürgerschaft namens derselben verbindende
Erklärungen abzugeben. Die Stadtverordneten sind berechtigt, alle diese Angelegenheiten
ohne Rücksprache mit der Gemeinde abzumachen. Sie bedürfen dazu weder einer be-
sonderen Instruktion oder Vollmacht der Bürgerschaft, noch sind sie verpflichtet, derselben
über ihre Beschlüsse Rechenschaft zu geben. Das Gesetz und ihre Wahl sind ihre Voll-
macht, ihre Überzeugung und ihre Ansicht vom gemeinen Besten der Stadt ihre In-
struktion, ihr Gewissen aber die Behörde, der sie deshalb Rechenschaft zu geben haben.“
Damit hat die Städteordnung den Stadtverordneten eigene, nicht nur abgeleitete Be-
fugnisse beigelegt und zum erstenmal die völlige Unabhängigkeit und Unverantwortlichkeit
gewählter Repräsentanten ihren Wählern gegenüber ausgesprochen; ein Grundsatz, welcher
später allgemein für die Volksvertretungen anerkannt und in alle modernen Verfassungen
übergegangen ist.
Die Stadtverordnetenversammlung geht aus allgemeinen direkten und geheimen
Wahlen der Bürgerschaft hervor. Letztere übt ihre Rechte nicht wie früher nach Ord-
nungen, Zünften und Korporationen, sondern als ungeteilte Einheit aus, nur aus Zweck-
mäßigkeitsgründen stimmt sie nach geographisch abgegrenzten Stadtbezirken. Wahlberechtigt
sind alle Bürger, ausgenommen: 1) diejenigen, welche wegen eines Verbrechens zu einer
Festungs= oder Zuchthausstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt sind oder sich
im Konkurs, in einer Kriminaluntersuchung oder unter Kuratel befinden; 2) Magistrats-
personen während ihrer Amtsdauer; 3) weibliche Personen; 4) unangesessene Bürger,
deren Einkommen in großen Städten noch nicht 200 Thlr., in mittleren und kleinen noch
nicht 150 Thlr. jährlich beträgt; 5) Personen, denen das Stimmrecht zur Strafe ent-
zogen ist.! Mit dem Wahlrecht ist auch die Wahlpflicht verbunden, welcher nur per-
sönlich genügt werden kann; jeder Wahlberechtigte, der wiederholentlich ohne gesetzlichen
Entschuldigungsgrund im Wahltermin ausgeblieben ist, kann durch Beschluß der Stadt-
verordneten des Stimmrechts und der Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung dauernd
oder für Zeit für verlustig erklärt werden.? — Jeder stimmberechtigte Bürger ist auch
wählbar, aber nur in seinem Bezirk.
Die Wahlen finden jährlich einmal statt. Der Magistrat bestimmt Ort und Zeit
derselben und entsendet für jeden Bezirk eines seiner Mitglieder oder den Bezirksvorsteher
als Kommissar, welcher den Vorsitz, und in den gesetzlich bestimmten Fällen auch eine
Stimme hat.? Gleichzeitig mit den Stadtverordneten werden Stellvertreter gewählt, und
zwar jedesmal so viele, als der dritte Teil der neugewählten Stadtverordneten ausmacht.“
Die Wahlperiode aller ist eine dreijährige, jedoch scheidet jährlich ein Drittel der Ver-
sammlung aus und wird durch Neugewählte ersetzt. Wenigstens zwei Drittel der in
jedem Bezirke zu wählenden Stadtverordneten und Stellvertreter müssen mit Häusern
in der Stadt angesessen sein. Die Stadtverordneten wie die Stellvertreter verwalten
ihr Amt unentgeltlich.“ Sie üben die ihnen gesetzlich zustehenden Befugnisse aber nie
als Einzelne, sondern nur als Gesamtheit durch gemeinschaftliche nach Stimmenmehrheit
gefaßte Beschlüsse aus.' Zu diesem Zweck treten sie mindestens allmonatlich einmal zu
einer Sitzung zusammen, welche, um jeden fremden Einfluß auf die Beschlußfassung zu
verhüten, bei Vermeidung der Nichtigkeit der gefaßten Beschlüsse geheim sein muß.“
IV. An der Spitze jeder Stadt steht ein kollegial organisierter Magistrat. Der-
selbe besteht aus einem Bürgermeister, welcher in großen Städten den Titel Oberbürger-
meister führt, aus einem Kämmerer und im übrigen in kleinen Städten aus 4—6 „Nats-
mannen“, in mittleren aus einem Syndikus und 7—12 Ratsmannen (hier „Ratsherren“
genannt), in großen aus zwei gelehrten Stadträten, einem Baurat, einem Syndikus und
12—15 Ratsmannen (hier „unbesoldete Stadträte“ genannt). Einen wesentlich neuen
Standpunkt nimmt die Städteordnung gegenüber den bestehenden Vorschriften bezüglich
der Stellenbesetzung ein. An Stelle der Kooptation führt sie die Wahl durch die Bürger-
schaft, an Stelle der entgeltlichen teilweise unentgeltliche Verwaltung des Amtes und
1 St. O., §§. 74 ff., 84. * St. O., S. 8
*)m. 88. ". 32P 83. n
St „88. 8 t „8. 111
St. O., 88. 94 ff * St. O., 8§8. 113, 119.