Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

394 Dritter Abschnitt. (8. 110.) 
kann, mindestens vierzehn Tage vorher zugestellt werden müssen. In dem Einladungs- 
schreiben müssen die zu verhandelnden Gegenstände angegeben sein; über Gegenstände, 
die in ihm keine Aufnahme gefunden haben, kann zwar beraten werden, die Fassung eines 
bindenden Beschlusses darf jedoch erst auf dem nächsten Kreistage erfolgen. 
Anträge von Kreistagsabgeordneten auf Beratung einzelner Gegenstände sind bei 
dem Landrat anzubringen und, wenn sie vor Erlaß der Einladungsschreiben eingehen, 
in die Einladung zum nächsten Kreistage aufzunehmen. 
Soll auf dem Kreistage über gewisse wichtige Angelegenheiten, nämlich: 1) über 
die Festsetzung des Abgabenverteilungsmaßstabes, 2) über Mehr= oder Minderbelastung 
einzelner Kreisteile, 3) über solche Gegenstände, welche Kreisabgaben notwendig machen, 
die nicht auf gesetzlicher Verpflichtung beruhen — Beschluß gefaßt werden, so ist ein 
ausführlicher Vorschlag zu dem Beschlusse erforderlich. Dieser Vorschlag soll sich über 
den Zweck des Beschlusses, die Art der Ausführung, die Summe der zu verwendenden 
Kosten und die Aufbringungsweise eingehender auslassen, er ist von dem Kreisausschusse? 
auszuarbeiten und jedem Abgeordneten mindestens vierzehn Tage vor Abhaltung des 
Kreistages schriftlich zuzustellen; die Frist darf, nur wenn einem Notstande vorgebeugt 
oder abgeholfen werden soll, auf drei Tage abgekürzt werden. 
Von jedem anzusetzenden Kreistage hat der Landrat dem Regierungspräsidenten 
unter Einsendung einer Abschrift des Einladungsschreibens Anzeige zu machen. 
II. Die Sitzungen des Kreistages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann 
durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschluß der Versammlung die Offentlich- 
keit ausgeschlossen werden." 
III. Beschlußfähig ist der Kreistag, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder 
anwesend ist. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Mitglieder des Kreistages, 
zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht 
in beschlußfähiger Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Einberufung muß auf diese 
Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. 
IV. Den Vorsitz auf dem Kreistage führt der Landrat; er leitet die Verhandlungen 
und handhabt die Sitzungspolizei. In Behinderungsfällen übernimmt der dem Dienst- 
alter, und bei gleichem Dienstalter der dem Lebensalter nach älteste anwesende Kreis- 
deputierte den Vorsitz.“ Ein Stimmrecht hat der Landrat als Vorsitzender auf dem 
Kreistage nicht, wohl aber kann er zum Kreistagsabgeordneten gewählt werden. 
V. Über die Formen und den Gang der Verhandlungen bestimmt im einzelnen die 
vom Kreistage zu beschließende Geschäftsordnung.! Jedenfalls ist über die Beschlüsse 
des Kreistages eine besondere Verhandlung aufzunehmen, in welcher die Namen der 
dabei anwesend gewesenen Mitglieder aufgeführt werden müssen. Diese Verhandlung 
ist von dem Vorsitzenden und von wenigstens drei Mitgliedern des Kreistages zu voll- 
ziehen, welche zu diesem Behufe von der Versammlung vor dem Beginne der Verhand- 
lung zu bestimmen und in derselben aufzuführen sind. 
  
1 Kr. O. ö., 8. 118; w. u. rh., §. 62; hann., 
S. 74; hess.-nass., §. 75; schlesw.-holst., S. 105. 
: Die Ausarbeitung kann auch durch eine 
besondere, seitens des Kr. A. beauftragte Kom- 
mission erfolgen. M. Erl. v. 28. Juni 1875 
(M. Bl. S. 267). 
Kr. O. ö., §. 119; w. u. rh., S. 63; hann., 
#§. 75; hess.-nass., §. 76; schlesw.-holst., S. 106. 
4 Kr. O. ö., §. 120; w. u. rh., §. 64; hann., 
§. 76; hefs.-nass., §. 77; schlesw.-holst., §. 107. 
* Kr. O. ö., §. 121; w. u. rh., §. 65; hann., 
§. 77; hess.-nass., §. 78; schlesw.= holst., §. 108. 
*Kr. O. ö., §. 118, Abs. 1; w. u. rh., §. 62; 
hann., §. 74; hesfs.-nass., §. 75; schlesw. holst., 
§. 105, Abs. 1. Uber die Gründe der Einräu- 
mung des Vorsitzes an den Landrat rgl. die 
Motive zu §. 97 des Entw. 1 bei v. Brau- 
chitsch, Materialien, 1, S. 148 —149. Die 
Vertretung des Landrats im Vorsitz durch eine 
  
andere Person als einen der Kreisdeputierten ist 
gesetzlich unzulässig. M. Erl. v. 29. Mai 1874 
(V. M. Bl. S. 126). Ein Behinderungs- 
fall des Landrats i. S. des Ges. liegt über- 
haupt nicht vor, wenn für die Verwaltung 
eines Landratsamtes von der Regierung ein 
besonderer Kommissar bestellt ist; letzterer bat 
auch den Vorsitz im Kreistage. M. Erl. v. 
24. Okt. 1874, cit. bei v. Brauchitsch, II, 
S. 149, Anm. 386. 
* Ein Muster einer Geschäftsordnung des 
Kreistages ist mitgeteilt im M. Erl. v. 7. Juli 
1873 (V. M. Bl., S. 215, auch abgedr. bei v. 
Brauchitsch, II, S. 350 ff.). 
6arl Kr. O. ö., §. 125, Abs. 1 u. 2; w. u. rb., 
S§. 69, Abs. 1 u. 2; bann., §. 81, Abs. 1 u. 2; 
bess.-nass., §. 82, Abs. 1 u. 2; schlesw.-holft., 
§. 112, Abs. 1 u. 2.
	        
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