Kreisgemeinden; das geltende Recht. (8. 113.) 397
sämtliche Kreistagsabgeordnete ihr Mandat, die von ihnen gewählten Mitglieder des
Kreisausschusses und der Kreiskommissionen bleiben jedoch so lange in Wirksamkeit, bis
der neugebildete Kreistag die erforderlichen Wahlen vollzogen hat. Der neue Kreistag
ist binnen sechs Monaten vom Tage der Auflösung ab zu wählen. 1
S. 113.
2) Die Kreisvertretung in der Provinz Posen.?
I. Die posenschen Kreistage setzen sich, wie bereits erwähnt, noch heute nach der
Kreisordnung v. 20. Dez. 1828 ständisch zusammen. Sie bestehen:
1) im ersten Stande aus dem Fürsten von Thurn und Taxis und dem Fürsten-
Sulkowski in den Kreisen, wo diese Besitzungen haben, und aus sämtlichen Ritterguts-
besitzern des Kreises, welche in dem preußischen Staate einen Wohnsitz haben, ferner
2) aus je einem Deputierten jeder Stadt des Kreises und
3) aus drei Deputierten der Landgemeinden des Kreises.3
Allgemeines Erfordernis für die Ausübung des Virilstimmrechts (1) wie auch für
die Wählbarkeit zum Deputierten (2 u. 3) ist die Vollendung des 24. Lebensjahres und
unbescholtener Ruf.“ Die Deputierten müssen außerdem noch diejenigen Voraussetzungen
erfüllen, welche die Befähigung zur Vertretung des betreffenden Standes auf dem Pro-
vinziallandtage verleihen.
Von den virilstimmberechtigten Personen können sich auf dem Kreistage vertreten
lassen: a) unmündige Rittergutsbesitzer durch ihren Vater eder Vormund, b) Ehefrauen
durch ihre Ehegatten, c) Väter oder Mütter durch ihre volljährigen Söhne, d) unver-
heiratete Besitzerinnen, e) alle stimmberechtigten Besitzer, insofern sie behindert sind,
persönlich zu erscheinen. Der Vertreter muß in allen Fällen selbst Besitzer eines land-
tagsfähigen Rittergutes im preußischen Staate 65, 24 Jahre alt und unbescholten sein, auch
kann ein auf dem Kreistage erscheinender Rittergutsbesitzer gleichzeitig mit der Vertretung
eines anderen beauftragt werden, und dann ist der Betreffende zur Abgabe mehrerer
Stimmen berechtigt.? Im übrigen hat jeder Virilstimmberechtigte, mag er auch mehrere
Rittergüter im Kreise besitzen, auf dem Kreistage nur eine Stimme; auch kann eine
Stadt, die bereits als solche einen Abgeordneten zum Kreistage entsendet, auf Grund
des Besitzes eines Rittergutes in demselben Kreise nicht noch eine zweite Stimme auf
dem Kreistage führen.
Die Wahl der Deputierten, für welche auch je ein Stellvertreter gewählt wird,
erfolgt in den Städten durch Magistrat und Stadtverordnetenversammlung gemeinschaft-
lich. In den Landgemeinden wählen zunächst die wahlberechtigten, d. h. die ein Grund-
1 Kr. ö., §. 179; w. u. rh., §. 95; hann.,
8. 107; heff.-nass., s. 108; schlesw.-holst., 8. 143.
* Bornhack, St. R., II, S. 272, 273 u. 275;
v. Stengel in seinem Wörterbuch des Verw.
RN. s. v. „Posen“, §. 3, B, Bd. II, S. 289;
Strutz, Die Kommunalverbände, S. 247—250.
2 Kr. O. pos., 8. 4.
r. O. pos., §. 6. Über die Entziehung und
Suspension des ständischen Rechtes wegen be-
scholtenen oder angefochtenen Rufes vgl. Vdg.
v. 23. Juli 1847 (G. S., S. 279). — Das Er-
fordernis des christlichen Glaubens (§. 6, cit.
unter a) ist weggefallen, vgl. Ges. betr. die Gleich-
berechtigung der Konfessionen u. s. w. v. 3. Juli
1869 (B. G. Bl., S. 292).
* Kr. O. pos., 2 9. Vgl. über die Wählbar-
keit zum posenschen Provinziallandtage unten
S. 449 ff. Diese Vorschriften sind jedoch binsicht-
lich der städtischen Deputierten modifiziert wor-
den durch Vdg. v. 21. Nov. 1837 ((G. S., S. 217),
welche bestimmt: 1) In denjenigen Städten, in
welchen die rev. St. O. eingeführt ist, sollen
künftig die Magistratsmitglieder und Stadt-
verordneten, in den übrigen Städten aber die
Bürgermeister auch ohne Grundbesitz zu
städtischen Kreistagsabgeordneten gewählt wer-
den können. 2) Die Beigeordneten und Mit-
glieder der Gemeinderäte in den letztgenannten
Städten dagegen sollen zwar auch künftig nur
dann, wenn sie städtische Grundbesitzer sind,
jedoch ohne Rücksicht auf die Dauer des
Besitzes wählbar sein. 3) Das Vorhanden-
sein der §. 6 (Kr. O. pos.) vorgeschriebenen all-
gemeinen Regquisite bleibt hierbei allenthalben
vorausgesetzt. — Für die Wählbarkeit zum
Kreisdeputierten genügt durchweg die Vollen-
dung des 21. Lebensjahres.
* Wovon indes beim Ehemann der Minister
des Innern dispensieren kann.
7 Kr. O. pos., §. 5.
Kr. O. pos., §§. 7 u. 8.