Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

398 (5. 113.) 
Dritter Abschnitt. 
stück von mindestens 30 magdeburger Morgen besitzenden Grundeigentümer jeder Ge- 
meinde einen Ortswähler. Diese Ortswähler treten dann in drei vom Landrat ab- 
zugrenzenden Bezirken des Kreises mit den Besitzern der in diesen Bezirken belegenen, 
mindestens 30 Morgen großen (nicht Rittergutsqualität besitzenden aber) selbständigen 
Güter zusammen, um je einen Abgeordneten und einen Stellvertreter zu wählen. Die 
Wahlen in den Landgemeinden werden durch den Landrat oder durch von ihm ernannte 
Kommissarien geleitet. Sie erfolgen für die Ortswähler nach den Vorschriften über 
die Gemeindewahlen; im übrigen vollziehen sich die Wahlen in beiden Ständen nach 
dem Reglement v. 22. Juni 1842 (G. S., S. 21), welches Zettelwahl und absolute 
Majorität vorschreibt, jedoch die Hälfte der Stimmen ausschlaggebend sein läßt, wenn 
sich darunter diejenige des an Jahren ältesten Mitgliedes der Wahlversammlung befindet. 
Die Wahl erfolgt auf sechs Jahre mit der Maßgabe, daß von drei zu drei Jahren die 
Hälfte der Gewählten ausscheidet. Die Wahlprüfung und die Einführung der Neu- 
gewählten liegt dem Landrat ob. 1 
II. Der Kreistag ist, so oft es die Geschäfte erfordern, mindestens jedoch jährlich 
einmal vom Landrat zu berufen. Von der Ansetzung jedes Kreistages ist der Regierung 
Anzeige zu machen.? Die Zusammenberufung erfolgt durch eine Kurrende, in welcher 
die zu verhandelnden Gegenstände anzugeben sind. Der Kreistag ist beschlußfähig ohne 
Rücksicht auf die Anzahl der Erschienenen. Der Landrat, oder bei dessen Behinderung 
der älteste Kreisdeputierte führt den Vorsitz und handhabt die Sitzungspolizei; er kann 
ruhestörende Mitglieder, wenn Ermahnungen nichts fruchten, von der Versammlung aus- 
schließen, hat darüber jedoch sofort dem Oberpräsidenten zur weiteren Verfügung zu be- 
richten. Eine Stimme hat der Landrat nur, wenn er zugleich Kreisstand ist. Die 
Stände verhandeln auf den Kreistagen gemeinschaftlich und fassen ihre Beschlüsse mit 
einfacher Majorität; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Landrats, wenn 
er überhaupt eine solche hat, sonst die des ältesten Kreisdeputierten." Zweidrittelmehr= 
heit ist erforderlich bei Neubelastungen der Kreisangehörigen, sie genügt jedoch hierzu 
nicht, wenn bei der Beschlußfassung eine itio in partes stattgefunden hat und zwei 
Stände sich dagegen erklärt haben. Findet ein ganzer Stand sich durch einen Kreis- 
tagsbeschluß in seinen Interessen verletzt, so kann er stets mittels eines Separatvotums 
an diejenige Behörde rekurrieren, von der die betreffende Angelegenheit ressortiert.“ Mit 
Genehmigung des Ministers des Innern können Protokolle und Beschlüsse des Kreis- 
tages und die darauf erteilten Bescheide der betreffenden Behörden durch die Kreisblätter 
publiziert werden. 
Betreffs der Kompetenz der posenschen Kreistage kann auf die oben S. 366 unter 1 
gemachten Ausführungen verwiesen werden. Erweitert ist dieselbe jedoch durch die Gesetz- 
gebung von 1889 insofern, als die Kreistage in Posen ebenso wie die in anderen 
Provinzen über die Erhebung und Verteilung von Kreisabgaben beschließen können, als 
ihre Beschlüsse nur in bestimmten gesetzlich bezeichneten Fällen der Bestätigung bedürfen, 
und insofern, als sie an der Bestellung der Kreisausschüsse beteiligt sind." Eine Auf- 
lösung des Kreistages ist der posenschen Kreisordnung unbekannt. 
  
1 Kr. O. pos., §§. 11—15, u. Vdg. betr. das 
Verfahren bei ständischen Wahlen im Stande 
der Landgemeinden des Großherzo chtume Posen 
v. 19. Dez. 1845 (G. S. von 1846, S. 18). 
2 Kr. O. pos., §. 17. 
1 Kr. O. pos., §. 20, Abs. 2. 
Kr. O. pos., §§. 16, 19 u. 20, Abf. 3. 
5 Erklärt sich nur ein Stand dagegen, so 
entscheiden in diesem Fall die Minister des 
Innern und der Finanzen, §. 8 der Vdg. über 
die Befugnisse der Kreisftände im Großherzog- 
tum Posen, Ausgaben zu beschließen und die 
  
Kreiseingesessenen dadurch zu verpflichten, v. 
25. März 1841 (G. S., S. 48). Uber die Vor- 
bereitung solcher Beschlüsse vgl. S. 7 der Vdg# 
und dazu die Fa en eeschis der neuen 
Kr. Ordugn., B. O. ö., 
*Kr. O. bol . 20, Abs. 1 
7 M. Reskr. v. 18. Juli 1843, 15. Sept. u. 
13. Okt. 1847, bei Rauer, Ständische Gesetz- 
gebung, II, S. 486 u. Neue Folge, S. 264. 
s Ges. v. 19. Mai 1889, Art. IV u. V. B. 
ogl. auch oben S. 376.
	        
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