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Dritter Abschnitt.
stück von mindestens 30 magdeburger Morgen besitzenden Grundeigentümer jeder Ge-
meinde einen Ortswähler. Diese Ortswähler treten dann in drei vom Landrat ab-
zugrenzenden Bezirken des Kreises mit den Besitzern der in diesen Bezirken belegenen,
mindestens 30 Morgen großen (nicht Rittergutsqualität besitzenden aber) selbständigen
Güter zusammen, um je einen Abgeordneten und einen Stellvertreter zu wählen. Die
Wahlen in den Landgemeinden werden durch den Landrat oder durch von ihm ernannte
Kommissarien geleitet. Sie erfolgen für die Ortswähler nach den Vorschriften über
die Gemeindewahlen; im übrigen vollziehen sich die Wahlen in beiden Ständen nach
dem Reglement v. 22. Juni 1842 (G. S., S. 21), welches Zettelwahl und absolute
Majorität vorschreibt, jedoch die Hälfte der Stimmen ausschlaggebend sein läßt, wenn
sich darunter diejenige des an Jahren ältesten Mitgliedes der Wahlversammlung befindet.
Die Wahl erfolgt auf sechs Jahre mit der Maßgabe, daß von drei zu drei Jahren die
Hälfte der Gewählten ausscheidet. Die Wahlprüfung und die Einführung der Neu-
gewählten liegt dem Landrat ob. 1
II. Der Kreistag ist, so oft es die Geschäfte erfordern, mindestens jedoch jährlich
einmal vom Landrat zu berufen. Von der Ansetzung jedes Kreistages ist der Regierung
Anzeige zu machen.? Die Zusammenberufung erfolgt durch eine Kurrende, in welcher
die zu verhandelnden Gegenstände anzugeben sind. Der Kreistag ist beschlußfähig ohne
Rücksicht auf die Anzahl der Erschienenen. Der Landrat, oder bei dessen Behinderung
der älteste Kreisdeputierte führt den Vorsitz und handhabt die Sitzungspolizei; er kann
ruhestörende Mitglieder, wenn Ermahnungen nichts fruchten, von der Versammlung aus-
schließen, hat darüber jedoch sofort dem Oberpräsidenten zur weiteren Verfügung zu be-
richten. Eine Stimme hat der Landrat nur, wenn er zugleich Kreisstand ist. Die
Stände verhandeln auf den Kreistagen gemeinschaftlich und fassen ihre Beschlüsse mit
einfacher Majorität; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Landrats, wenn
er überhaupt eine solche hat, sonst die des ältesten Kreisdeputierten." Zweidrittelmehr=
heit ist erforderlich bei Neubelastungen der Kreisangehörigen, sie genügt jedoch hierzu
nicht, wenn bei der Beschlußfassung eine itio in partes stattgefunden hat und zwei
Stände sich dagegen erklärt haben. Findet ein ganzer Stand sich durch einen Kreis-
tagsbeschluß in seinen Interessen verletzt, so kann er stets mittels eines Separatvotums
an diejenige Behörde rekurrieren, von der die betreffende Angelegenheit ressortiert.“ Mit
Genehmigung des Ministers des Innern können Protokolle und Beschlüsse des Kreis-
tages und die darauf erteilten Bescheide der betreffenden Behörden durch die Kreisblätter
publiziert werden.
Betreffs der Kompetenz der posenschen Kreistage kann auf die oben S. 366 unter 1
gemachten Ausführungen verwiesen werden. Erweitert ist dieselbe jedoch durch die Gesetz-
gebung von 1889 insofern, als die Kreistage in Posen ebenso wie die in anderen
Provinzen über die Erhebung und Verteilung von Kreisabgaben beschließen können, als
ihre Beschlüsse nur in bestimmten gesetzlich bezeichneten Fällen der Bestätigung bedürfen,
und insofern, als sie an der Bestellung der Kreisausschüsse beteiligt sind." Eine Auf-
lösung des Kreistages ist der posenschen Kreisordnung unbekannt.
1 Kr. O. pos., §§. 11—15, u. Vdg. betr. das
Verfahren bei ständischen Wahlen im Stande
der Landgemeinden des Großherzo chtume Posen
v. 19. Dez. 1845 (G. S. von 1846, S. 18).
2 Kr. O. pos., §. 17.
1 Kr. O. pos., §. 20, Abs. 2.
Kr. O. pos., §§. 16, 19 u. 20, Abf. 3.
5 Erklärt sich nur ein Stand dagegen, so
entscheiden in diesem Fall die Minister des
Innern und der Finanzen, §. 8 der Vdg. über
die Befugnisse der Kreisftände im Großherzog-
tum Posen, Ausgaben zu beschließen und die
Kreiseingesessenen dadurch zu verpflichten, v.
25. März 1841 (G. S., S. 48). Uber die Vor-
bereitung solcher Beschlüsse vgl. S. 7 der Vdg#
und dazu die Fa en eeschis der neuen
Kr. Ordugn., B. O. ö.,
*Kr. O. bol . 20, Abs. 1
7 M. Reskr. v. 18. Juli 1843, 15. Sept. u.
13. Okt. 1847, bei Rauer, Ständische Gesetz-
gebung, II, S. 486 u. Neue Folge, S. 264.
s Ges. v. 19. Mai 1889, Art. IV u. V. B.
ogl. auch oben S. 376.