Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (8. 7.) 29
führung des preußischen Städterechts in die 1815 mit der Monarchie neu resp. wieder ver-
einigten Landesteile erforderlich wurde, ging man an eine Revision der alten Städte-
ordnung, deren Grundsätze festgehalten, aber in den angegebenen Richtungen korrigiert werden
sollten. So entstand die revidierte Städteordnung v. 17. März 1831 (G. S., S.g), deren Ent-
wurf „in Ansehung seiner Haupt= und leitenden Ideen“ auch von Stein gutgeheißen wurde.
Der allgemeinste Unterschied zwischen dieser Städteordnung und der von 1808
besteht nach Savigny darin „daß das ältere Gesetz die Städte mehr nach gleicher Regel
behandelt und selbst die zugelassene Verschiedenheit zum Teil an eine durchgreifende
Klassifikation in große, mittlere und kleine Städte knüpft, anstatt daß das neuere Gesetz
einen großen Spielraum individueller Verschiedenheiten freiläßt und demselben eine be-
stimmte Form giebt durch die vorgeschriebenen Statuten, auf deren Abfassung die Stadt-
behörden einen großen Einfluß haben und wodurch zugleich der Weg zu einer lebendigen
Fortbildung dieser Verfassung in jeder Stadt gebahnt ist“. Die revidierte Städte-
ordnung schreibt betreffs bestimmter Gegenstände, wie der Zahl der Stadtverordneten,
des aktiven und passiven Wahlrechts, nur gewisse Grenzen vor, innerhalb deren die
Gemeinden sich frei bewegen dürfen, und giebt ihnen sogar die Möglichkeit, mit Rück-
sicht darauf, daß bei der großen Mannigfaltigkeit der Verhältnisse einzelne Bestimmungen
nicht überall durchführbar sein könnten, von dem Gesetze abzuweichen. Die spezielle
Rechtsgrundlage für die Verfassung der einzelnen Städte soll ein besonders abzufassendes
Statut bilden, dessen Inhalt teils ein obligatorischer, teils ein fakultativer, und dessen
Gültigkeit durch ministerielle bezw., wenn es Abweichungen von der Städteordnung ent-=
hält, durch landesherrliche Bestätigung bedingt ist.
Die Einteilung der Städte in große, mittlere und kleine und die Normierung der
Zahl der Stadtverordneten und Magistratsmitglieder nach diesem Unterschiede ist als
unpraktisch aufgegeben. Der Umfang der Kommunalverwaltung ist nicht geändert, nur
hinsichtlich der Polizeiverwaltung findet sich insofern eine Neuerung, als nicht nur der
Magistrat als solcher, sondern auch der Bürgermeister oder ein anderes Magistrats-
mitglied allein mit ihr beauftragt werden kann.3
B. Im einzelnen ist noch hervorzuheben:
I. Der Inhalt des Bürgerrechts ist ein anderer geworden, er besteht lediglich in
dem Rechte, an den öffentlichen Geschäften der Stadtgemeinde durch Abstimmung bei den
Wahlen teilzunehmen.“ Zum Erwerbe städtischen Grundbesitzes und zum Betriebe
städtischer Gewerbe ist der Besitz des Bürgerrechts nicht mehr erforderlich. Auch kann
es nicht mehr von Weibern, sondern nur von Männern besessen werden. Diese sind
aber zum Erwerbe des Bürgerrechts entweder a) nur berechtigt, wenn sie bei zwei-
jährigem Wohnsitze in der Stadt ein Reineinkommen von 400—1200 Thlrn. haben,
oder b) als Grundbesitzer oder Gewerbetreibende sogar verpflichtet, wenn ihr im Stadt-
bezirk belegenes Grundeigentum einen statutarisch je nach der Größe der Stadt auf
300—2000 Thlr. festzusetzenden Minimalwert hat oder ihr im Stadtbezirk betriebenes
stehendes Gewerbe ein Reineinkommen von einer ebenfalls durch Statut zwischen 200
und 600 Thlrn. zu bestimmenden Minimalsumme abwirft. Personen, welche diese
Voraussetzungen nicht erfüllen, kann das Bürgerrecht durch übereinstimmenden Beschluß
beider städtischen Kollegien verliehen werden, damit besonders tüchtige Männer nicht
lediglich aus materiellen Mängeln von der städtischen Berwaltung ausgeschlossen bleiben.
In gleicher Weise kann auch auswärts Wohnenden das Ehrenbürgerrecht verliehen
werden. Die Gründe für Versagung und Entziehung des Bürgerrechts sind nicht wesent-
lich abgeändert, ein Ruhen desselben soll eintreten bei längerer Abwesenheit, Kuratel,
Konkurs, Kriminaluntersuchung, Verlust des Minimal-Grundbesitzes oder -Einkommens;
bei Verlegung des Wohnsitzes wird es durch Bestellen eines Vertreters in der Stadt
zur Erfüllung der bürgerlichen Pflichten erhalten.“
II. Die Zahl der Stadtverordneten, der eine gleiche Anzahl von Stellvertretern
entspricht, ist durch Statut zwischen 9 und 60 festzusetzen, also gegen früher vermindert.
1 Savigny, a. a. O., S. 189. 1 St. O., §. 11.
: St. O., 8§§. 1—4. . 5 St. O., §§. 12—19.
: St. O., 8. 109.