Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (8. 7.) 31 
Aufhebung oder Abänderung bestehender Einrichtungen. Kommt ein solcher nicht zu stande, 
so ist die Entscheidung der Regierung auf die ebenerwähnte Weise herbeizuführen. 
Schließlich wird allgemein zur Erleichterung der Verhandlung und Herbeiführung 
einer Einigung zwischen beiden Behörden jeder gestattet, ihre Anträge und Beschlüsse 
durch eines oder mehrere ihrer Mitglieder in der Versammlung der anderen vortragen 
und begründen zu lassen. 
V. Durch die Städteordnung von 1808 hatte der Staat sich seines Aufsichts- 
rechtes fast gänzlich begeben und besonders die städtische Finanzverwaltung unbeschränkt 
in die Hände der Stadtverordneten gelegt; nur zu bald mußte er erkennen, daß er hier 
in seinen Konzessionen zu weit gegangen war. An vielen Orten wirtschafteten die 
Stadtverordneten nur im eigenen Interesse und dem ihrer jeweiligen Mitbürger, ohne 
an die künftigen Generationen und das dauernde Wohl der Gemeinde zu denken; sie 
nahmen Darlehen auf, welche die gegenwärtige Generation nicht zurückbezahlen konnte 
und auch nicht wollte; um augenblicklichen Bedürfnissen abzuhelfen, veräußerten sie 
Grundstücke, welche bestimmt waren, der Gemeinde einen dauernden Nutzen und eine 
gesicherte Existenz zu verschaffen. — Dieses selbständige, oft leichtsinnige Handeln der 
Stadtverordneten mußte im Interesse der Erhaltung der Gemeinden selbst beschränkt werden. 
Die neue Städteordnung hat daher bei einzelnen wichtigen Verfügungen über Ver- 
mögensobjekte das Erfordernis staatlicher Genehmigung wieder eingeführt. Zu 
jeder Veräußerung und zu jedem Ankaufe von Grundstücken, zu Gemeinheitsteilungen, 
zur Aufnahme von Anleihen und zur Prolongation solcher, zu allen Abweichungen von 
dem genehmigten Tilgungsplane und zu Umwandlungen von Bürger= in Kämmereiver= 
mögen ist die Zustimmung der Regierung, zur Veräußerung von wissenschaftlichen und 
Kunstsammlungen die des Ministers des Innern notwendig. 
Das ganze Kommunalbesteuerungswesen ist unter staatliche Aufsicht gestellt. Jede 
Erhebung einer Steuer setzt voraus, daß die Einkünfte aus dem städtischen Vermögen 
zur Deckung der Gemeinbedürfnisse nicht ausreichen, auch kein Bürgervermögen vor- 
handen ist, dessen Ertrag für die Stadtbedürfnisse verwendet werden könnte, und daß 
die staatliche Genehmigung erholt ist, welche gewöhnlich von der Regierung, in wichtigen 
Fällen von den Ministern des Innern und der Finanzen erteilt wird. 
Unter den Gesichtspunkt einer schärferen Staatsaufsicht fallen noch zwei neue Vor- 
schriften, welche den Staat berechtigen, direkt in den städtischen Behördenorganismus 
einzugreifen: Falls eine Stadtverordnetenversammlung fortwährend ihre Pflichten ver- 
nachlässigt und in Unordnung und Parteiungen verfällt, kann der König sie nach 
vorgängiger Untersuchung auflösen, eine Neuwahl anordnen und die Schuldigen auf 
gewisse Zeit oder auf immer für unfähig zu einer neuen Wahl erklären?; wenn die 
Stadtverordneten bei Besetzung der Magistratsstellen durch Vorschläge von ungeeigneten 
Personen, welche die Regierung nicht bestätigt, oder durch gänzliche Verweigerung der 
Wahl die Besetzung der Stellen verzögert, so kann die Regierung solche einstweilen auf 
Kosten der Stadt kommissarisch verwalten lassen.“ 
VI. Die Einführung der revidierten Städteordnung, welche übrigens den land- 
rechtlichen Unterschied zwischen Mediat= und Immediatstädten für ihr Geltungsgebiet 
beibehalten hat, erfolgte nicht, wie ursprünglich beabsichtigt war, im ganzen Staats- 
gebiete, sondern nur: in den Städten der östlichen Provinzen, wo die Städteordnung 
von 1808 nicht galt, mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen, wo die früheren 
Stadtverfassungen aufrecht erhalten blieben; in der Provinz Westfalen, und zwar zunächst 
durch Verleihung an die größeren Städte, dann durch Verordnung v. 31. Okt. 1841 
allgemein für die Gemeinden von mehr als 2500 Einwohnern; in der Provinz Posen nach 
und nach für die Städte von gleicher Einwohnerzahl; in der Rheinprovinz allein für die 
Städte Wetzlar, Essen und Mühlheim, während für die übrigen rheinischen Gemeinden 
am 23. Juli 1845 eine besondere auf französischen Grundsätzen basierende Gemeinde- 
ordnung erlassen wurde.“ Den Städten, in welchen die Städteordnung von 1808 galt, 
  
1 St. O., 8§. 117 ff. * Vgl. über diese G. O. den folgenden §. 
: St. O., 8. 83. unter III, 3. 
* St. O., 8.
	        
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