Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Provinzialgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Provinzialgemeinden. (§. 129.) 437 
Gleichzeitig mit den der Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 nachgebilreten neuen 
Kreisordnungen wurde die Provinzialordnung mit einigen in besonderen Einführungs- 
gesetzen angegebenen Modifikationen in den westlichen und den neuen Provinzen 
eingeführt, und zwar: 
in Hannover durch Gesetz v. 7. Mai 1884 (G. S., S. 237), 
„ Hessen= Nassau „ „ „„8. Juni 1885 (G. S., S. 242), 
„ Westfalen „ „ „„ 1. Aug. 1886 (G. S., S. 254), 
„ der Rheinprovinz „ „ „ 1. Juni 1887 (G. S., S. 249), 
„ Schleswig-Holstein „ „ „27. Mai 1888 (G. S., S. 191). 
Nur in der Provinz Posen hat sich das ständische Prinzip erhalten; der posensche 
Provinziallandtag setzt sich noch heute nach der alten Provinzialordnung v. 27. März 
1824 („Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände für das Großherzogtum Posen“, 
G. S., S. 141), ergänzt durch die Verordnungen v. 15. Dez. 1830 und v. 19. Dez. 
1845 (G. S. 1846, S. 18), zusammen. Diese Zusammensetzung und die Stellung des 
Landtages der Regierung gegenüber sind aber auch in Posen die einzigen Überreste der 
alten Provinzialverfassung, im übrigen ist diese auch hier durch die neuere Gesetzgebung 
zu einer immer freieren und selbständigeren gestaltet worden. Nachdem zuerst durch die 
Verordnung v. 21. Juni 1842 (G. S., S. 227) ein „Ausschuß der Stände der Provinz 
Posen“ und alsdann durch die Allerhöchst genehmigten Regulative v. 16. Aug. 1871 
und v. 27. Dez. 1875 zwei dauernde Verwaltungsausschüsse, die „provinzialständische 
Verwaltungskommission“ und die „provinzialständische Kommission für den Chaussee= und 
Wegebau“, angeordnet waren, hat jetzt das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung 
und die Zuständigkeit der Verwaltungs= und Verwaltungsgerichtsbehörden in der Provinz 
Posen v. 19. Mai 1889 (G. S., S. 108) 1 an Stelle dieser Kommissionen zum Zwecke 
der Verwaltung der provinziellen Kommunalangelegenheiten nach Analogie der Provinzial= 
ordnung von 1875 einen Provinzialausschuß und einen Landesdirektor gesetzt und gleich- 
zeitig auch die Bestimmungen der letzteren, welche sich auf die Verteilung der Provinzial- 
abgaben, die Zwangsetatisierung und die infolge einer Veränderung der Provinzialgrenzen 
erforderliche Regelung der Verhältnisse beziehen, auf Posen ausgedehnt. Die näheren 
Bestimmungen über die Zusammensetzung des Provinzialausschusses und dessen Geschäfte, 
so besonders über die Wahl, die dienstliche Stellung und die Befugniffe des Landes- 
direktors und der übrigen Provinzialbeamten, sowie die eingehendere Normierung der 
Aufsicht über die Verwaltung der Angelegenheiten des provinzialständischen Verbandes, 
der Befugnis des königlichen Landtagskommissarius, der Mitglieder des Provinzialaus= 
schusses und der höheren Provinzialbeamten zur Teilnahme an den Beratungen des 
Landtages und endlich der Anwendbarkeit des Disziplinargesetzes v. 21. Juli 1852 auf 
die Provinzialbeamten — hat das Gesetz einer nach Anhörung des Landtages zu er- 
lassenden königlichen Verordnung überlassen. Diese ist unterm 5. Nov. 1889 (G. S., 
S. 177) ergangen unr hat alle bezeichneten Punkte im engsten Anschlusse an die Pro- 
vinzialordnung von 1875 geregelt. 
Die Hohenzollernschen Lande endlich, welche zu keiner Provinz gehören, son- 
dern einen selbständigen Landeskommunalverband bilden, haben ihre heutige Verfassung 
bereits durch die Amts= und Landesordnung v. 2. April 1873 (G. S., S. 145) erhalten. 
Diese beruht zwar auf den in der Kreisordnung von 1872 ausgesprochenen Grundsätzen 
freier Selbstverwaltung, enthält jedoch bezüglich der Zusammensetzung der kommunalen 
Vertretung und der Verwaltungsbehörden mannigfaltige, bisweilen auf ständischen Prinzipien 
beruhende Abweichungen von den Vorschriften der neuen Provinzialordnungen. 
  
1 Art. V, Z. 1—7.
	        
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