Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (F. 132.) 443
Den Provinziallandtagen ist es jedoch vorbehalten, durch Statut (in den östlichen
Provinzen und Schleswig-Holstein aber nur mit Zustimmung der beteiligten
Kreistage) zwei derjenigen angrenzenden Landkreise, welche nur je einen oder zwei Ab-
geordnete zu wählen haben, in Schlesien und Hannover auch drei Kreise, deren
jeder nur einen Abgeordneten zu wählen hat, zu Wahlbezirken zu verbinden und die
Wahlorte zu bestimmen. Die in dieser Weise gebildeten Wahlbezirke wählen diejenige
Zahl der Abgeordneten, welche nach den eben mitgeteilten Vorschriften der Einwohner-
zahl der zusammengelegten Kreise entspricht. Hiermit ist eine Durchbrechung des Prin-
zips, daß jeder Kreis einen Wahlkreis bilden und mindestens einen Abgeordneten zum
Provinziallandtage entsenden soll, ermöglicht, welche sich durch das Bestreben rechtfertigt,
die Gesamtzahl der Provinziallandtagsabgeordneten im Hinblick auf den Aufwand an
Kosten und persönlichen Leistungen nicht allzusehr anwachsen zu lassen.?
Die Feststellung der Zahl der von den einzelnen Kreisen bezw. Wahlbezirken zu
wählenden Abgeordneten erfolgt vor jeder neuen Wahl durch den Provinzialausschuß (in
Hessen-Nassau durch den betreffenden Landesausschuß) auf Grund der durch die
jeweilig letzte Volkszählung ermittelten Einwohnerzahl der Kreise bezw. Wahlbezirke, mit
Ausschluß der aktiven Militärpersonen, und wird durch die Amtsblätter der Provinz zur
öffentlichen Kenntnis gebracht. Anträge auf Berichtigung der Feststellung sind innerhalb
vier Wochen nach Ausgabe des Amtsblattes, durch welches sie bekannt gemacht worden
ist, bei dem Provinzialausschusse (Landesausschusse) anzubringen, welcher über sie end-
gültig beschließt. Für berechtigt zur Stellung eines solchen Berichtigungsantrages muß
aber jeder Angehörige des betreffenden Kreises erachtet werden, da jeder Kreisangehörige
ein Interesse daran hat, daß sein Kreis auf dem Provinziallandtage den gesetzlichen
Vorschriften entsprechend vertreten ist.?
b) Die Wahl der Provinzial-(Kommunal-) Landtagsabgeordneten.
I. Der Provinzial-(Kommunal-) Landtag geht aus Wahlen der Vertretungen der
einzelnen Stadt= und Landkreise hervor. Diese sind die wahlberechtigten Körperschaften
und bilden gleichzeitig die Wahlversammlungen.
Die Wahl der Abgeordneten der Stadtkreise erfolgt daher durch den Magistrat und
die Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaftlicher Sitzung, in den Städten mit
Bürgermeistereiverfassung allein durch die Stadtverordnetenversammlung unter Vorsitz
des Bürgermeisters.
Die Wahl der Abgeordneten der Landkreise erfolgt durch die Kreistage, und zwar
treten, wenn Wahlbezirke gebildet worden sind, die Kreistage der zu einem Wahlbezirke
gehörigen Landkreise unter dem Vorsitze eines von dem Oberpräsidenten zu ernennenden
Wahlkommissars zu einer Wahlversammlung zusammen.“"
Wählbar zum Mitgliede der Provinziallandtage ist jeder Angehörige des Deutschen
Reiches, welcher:
a) das dreißigste Lebensjahr vollendet hat,
b) sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet,
ID) selbständig, d. h. in dem Rechte, über sein Vermögen zu verfügen und es zu
verwalten, nicht durch richterliche Anordnung beschränkt ist, und endlich
d) seit mindestens einem Jahre der Provinz (dem Bezirk) durch Grunbdbesitz oder
Wohnsitz“ angehört. Nicht ist also erforderlich Provinzialangehörigkeit im engeren
Sinne, es genügt Zugehörigkeit zur Provinz durch Grundbesitz ohne Wohnsitz (Pro-
vinzialforensalqualität), sofern diese nur bis zum Zeitpunkte der Wahl bereits ein Jahr
bestanden hat. Beide Arten der Zugehörigkeit können sich auch ergänzen, sodaß auch
derjenige wählbar ist, welcher der Provinz während eines Teiles des Jahres nur durch
Wohnsitz, während des übrigen nur durch Grundbesitz angehört hat.)7
1 Prov. O., §. 11; hann., §. 10; hess.-nass., * Prov. O., §. 17; hefs.-nass., S. 14.
8. 6 Über den Begriff des Wohnsitzes vgl. oben
: v. Brauchitsch, I, S. 205, Anm. 20. S. 82.
* Prov. O., §§. 12, 13; hess.-nass., s§§. 9, 10. 7 O. V. G., Bd. 1, S. 15 ff.; v. Brau-
Prov. O., 5§. 14, 15; hess.-nass., 88. 11, 12. chitsch, II, S. 208, Anm. 29.