Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (F. 133.) 4149
jede für sich und die übrigen Städte mit Kollektivstimmen in acht Bezirken; im dritten
Stande erfolgen die Wahlen nach denselben acht Bezirken. Die Wahlen sind im ersten
Stande und bei den virilstimmberechtigten Städten direkte, im übrigen indirekte !: In
den kollektivstimmberechtigten Städten wird zunächst auf je 150 von Christen bewohnten
Feuerstellen" ein Wähler gewählt. Im Stande der Landgemeinden wird zunächst von
den Wahlberechtigten in jeder Gemeinde ein Ortswähler gewählt, die Ortswähler
wählen dann zusammen mit den Besitzern der selbständigen, nicht Rittergutsqualität be-
sitzenden Güter von mindestens 30 Morgen Größe in jedem Kreise in drei vom Land-
rat abzugrenzenden Bezirken je einen Bezirkswähler. Diese Bezirkswähler und
ebenso die Wähler der kollektivstimmberechtigten Städte treten dann in jedem der acht
Wahlbezirke in einer vom Landtagskommissarius zu bestimmenden Stadt zusammen und
wählen unter Leitung des von ihm zu bezeichnenden Landrats die bezüglichen Ab-
geordneten." Die übrigen Wahlen stehen unter Aufsicht desjenigen Landrats, in dessen
Kreis sie vorgenommen werden 7, und sämtliche vollziehen sich nach den oben gelegentlich
der posenschen Kreisordnung erwähnten Vorschriften des Reglements vom 22. Juni 1842
(G. S., S. 21).6 Die geschehenen Wahlen der Bezirkswähler und Landtagsabgeord-
neten sind unter Beifügung der Wahlprotokolle dem Landtagskommissarius anzuzeigen,
welcher wegen vorgekommener Formfehler oder wegen Fehlens gesetzlich erforderter Eigen-
schaften in der Person der Gewählten eine neue Wahl anordnen kann.
Die Bedingungen des aktiven Wahlrechts sind teils allgemeine: Grundbesitz, Alter
von 24 Jahren, Unbescholtenheit? und preußische Staatsangehörigkeit, teils besondere
für die einzelnen Stände, und zwar für den ersten Stand Besitz eines Rittergutes" in
der Provinz, für den zweiten Bürgerrecht, für den dritten Besitz eines als Hauptgewerbe
selbst bewirtschafteten Landgutes von mindestens 30 magdeburgischen Morgen. Die Be-
dingungen der Wählbarkeit sind dieselben, jedoch für alle drei Stände noch dahin aus-
gedehnt, daß ein Alter von 30 Jahren und ein Grundbesitz von zehnjähriger Dauer
gefordert wird. Von letzterem Erfordernis kann jedoch der König dispensieren, auch
kommt im Vererbungsfalle die Besitzzeit des Erblassers und im ersten Stande die Zeit
des Besitzes eines Rittergutes in einer anderen Provinz zur Anrechnung. Im zweiten
Stande ist die Wählbarkeit ferner abhängig gemacht von der Mitgliedschaft im Magi-
strat oder dem Betriebe eines Gewerbes (wozu auch Ackerbau auf städtischen Grund-
stücken gehört), welches zusammen mit dem Grundbesitze einen Wert von 12,000 Mark
in virilstimmberechtigten, von 4500 Mark in anderen Städten darstellen muß. Im
dritten Stande endlich ist die Wählbarkeit abhängig gemacht vom Besitze eines mindestens
60 magdeburgische Morgen großen Grundstücks. — Das Wahlrecht und die Wählbar-
keit ruhen während eines Konkurses und solange der sie begründende Besitz einer
Gesellschaft zusteht, die der juristischen Persönlichkeit entbehrt. Bei dem ersten Stande
geht sowohl das aktive wie das passive Wahlrecht verloren, wenn durch Zerstücke-
lung des Rittergutes die Landtagsfähigkeit desselben vernichtet wird; dies tritt ein
bei Gütern bis zu 1000 Morgen durch jede Substanzverminderung, bei größeren
Gütern durch Verkleinerungen auf weniger als 1000 Morgen oder durch solche, die
1 Prov. O. pos., 8§. 18 u. 19, Abf. 1.
: Nur die von Christen bewohnten Feuer-
stellen kommen in Betracht.
nicht beseitigt durch das R. G. betr. die Gleich-
berechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und
staatsbürgerlicher Beziehung v. 3. Juli 1869
(B. G. Bl., S. 292). Leidig, S. 497; Born-
hack, St. R., II, S. 341.
:* Prov. O. pos., §. 19, Abs. 2, u. Vdg. von
1830, Art. VIII, Abf. 2.
* Prov. O. pos., §§. 20 u. 21; Vdg. von 1830
Art. XII, XIV, u. Vdg. betr. das Verfahren
bei ständischen Wablen im Stande der Land-
gemeinden des Großherzogtums Posen v. 19. Dez.
1845 (G. S. 1846, S. 18).
* Prov. O. pos., 88. 26 u. 27, u. Vdg. von
Schoen.
Diese Vorschrift ist
1845. §. 5. Die direkte Leitung der Wahlen liegt
in den Städten den Ortsbehörden, im übrigen
den Landräten oder den von ihnen bestellten
Kommissarien ob.
* Vgl. oben S. 398.
7 Uber Entziehung und Suspension des stän-
dischen Rechtes wegen bescholtenen und ange-
fochtenen Rufes vgl. Vdg. v. 23. Juli 1847
(G. S., S. 2759). — Das Erfordernis des christ-
lichen Glaubens (Prov. O. pos., §. 5, Z. 2) ist
unvereinbar mit dem R. G. v. 3. Juli 1869 und
daher weggefallen.
* Rittergüter sind diejenigen, welche als solche
in den Hypothekenbüchern der vormaligen Land-
gerichte zu Posen oder Bromberg eingetragen
sind. Vdg. von 1830, Art. V.
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