Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (F. 138.) 461 
bringung verwahrloster Kinder nach dem Gesetz v. 13. März 1878 (G. S., S. 132) 
nebst seinen Novellen v. 27. März 1881 (G. S., S. 275) und v. 23. Juni 1884 
(G. S., S. 306); die Gewährung von Entschädigungen für die bei Viehseuchen ge- 
töteten oder gefallenen Tiere gemäß dem Gesetz v. 12. März 1881 (G. S., S. 128) 
und dem Gesetz v. 18. Juni 1894 (G. S., S. 115); endlich die Fülle von Aufgaben, 
welche das Dotationsgesetz von 1875 den Provinzial-(Bezirks-) Verbänden neu 
überwiesen hat. 
Ein besonders wichtiges Gebiet der Provinzial-(Bezirks-Verwaltung ist infolge des 
genannten Dotationsgesetzes das Chausseewesen geworden: Den Provinzialverbänden, 
den beiden hessen-nassauischen Kommunalverbänden, den Stadtkreisen Berlin und Frank- 
furt a. M. und dem Landeskommunalverbande der Hohenzollernschen Lande ist zunächst 
die Fürsorge für den Neubau von chaussierten Wegen! zugewiesen, sodann aber auch die 
Verwaltung, einschließlich der technischen Bauleitung, sowie die Unterhaltung der beim 
Inkrafttreten des Dotationsgesetzes bereits ausgebauten Staatschausseen und derjenigen 
chaussierten Straßen übertragen, welche aus den den betreffenden Kommunalverbänden 
durch die Dotationsgesetze überwiesenen Fonds ausgebaut werden und nicht in die Ver- 
waltung und Unterhaltung an Dritte übergehen.? 
Zugleich mit der Unterhaltung der bereits ausgebauten Staatschausseen ist das Eigen- 
tum an diesen nebst allen Nutzungen und Pertinenzien (Brücken, Chausseegräben) ein- 
schließlich der Chausseewärter= und Einnehmerhäuser auf die Provinzial-, Bezirks= u. s. w. 
Verbände übergegangen.) Die Provinzialverbände sind jedoch für berechtigt" erklärt, die 
Verwaltung und Unterhaltung der ihnen überwiesenen Staatschausseen auf engere Kom- 
munalverbände zu übertragen. Die Voraussetzungen und Modalitäten, unter welchen 
eine solche Übertragung erfolgt, sind Gegenstand freier Privatvereinbarung zwischen den 
Provinzialverbänden einerseits und den engeren Verbänden, den Kreisen und Gemeinden, 
andererseits; das Eigentum an den Chausseen u. s. w. bleibt jedenfalls bei den Provinzial- 
verbänden, auch bleiben sie trotz Übertragung der Verwaltung und Unterhaltung für die 
ihnen durch das Gesetz auferlegten Verpflichtungen bezüglich der Chausseeverwaltung dem 
Staate verantwortlich." 
" 
Übertragen sind durch das Dotationsgesetz auf die Provinzial= u. s. w. Verbände 
ferner die früher der Staatsbauverwaltung nach gesetzlichen Bestimmungen obliegenden 
  
1 Dot. G., §. 4, Abs. 1, Z. 1. Für den Aus- 
bau von chaussierten Wegen können die Pro- 
vinzialverbände nicht nur dadurch sorgen, daß 
sie diesen selbst unternehmen, sondern auch 
durch Unterstützung anderer Chausseebauunter- 
nehmer, wohin besonders die Gewährung von 
Chausseebauprämien an die Kreise gehört. Soweit 
die Staatsregierung sich vor dem Inkrafttreten 
des Dotationsgesetzes zur Ausführung von 
Chausseebauten für Rechnung der Staatskasse 
oder zur Unterstützung von anderen als Staats- 
chausseebauten verpflichtet hat, muß der be- 
treffende Kommunalverband auf Verlangen der 
Staatsregierung in diese Verpflichtung eintreten. 
Ersparnisse, welche sich bei den zu Neu= und 
Umbauten der Staatschausseen, sowie zu Prä- 
mien für Chausseebauten im Staatshaushalts- 
etat ausgesetzten Fonds ergaben, sind auf die 
in §. 2 des Dot. G. genannten Kommunalver- 
bände nach dem daselbst angegebenen Maßstabe 
verteilt worden. Dot. G., §. 4, Abs. 2 u. 3. 
: Dot. G., §. 18, Abs. 1. Über die Entstehung 
dieses §. ugl. O. V. G., VII, S. 5; darüber, 
daß die Chausseeunterhaltungspflicht nicht zur 
Herstellung und Unterhaltung besonderer Bürger- 
steige verpflichtet, ogl. O. V. G., XIV, S. 272. 
Nicht auf die Provinzen übergegangen, sondern 
dem Staate verblieben ist nach Dot. G., §. 18, 
Abs. 5 jedoch die Verwaltung und Unterhaltung 
  
derjenigen Staatschausseen, deren Kosten vor dem 
Inkrafttreten des Dotationsgesetzes aus berg- 
oder forstfiskalischen Fonds bestritten wurden. 
2 Dot. G., §. 18, Abs. 2, §. 22, Abs. 1. Die 
Unterhaltungspflicht besteht für die Provinzen 
und die anderen erwähnten Kommunalverbände 
jedoch auch da, wo aus besonderen Gründen der 
Fiskus nicht Eigentümer einer von ihm zu unter- 
haltenden Chausseestrecke war und daher deren 
Eigentum nicht übertragen konnte. O. V. G., 
XXV, S. 226. 
* Det. G., §. 18, Abs. 3 u. 4. Eine Verpflich- 
tung zur lbertragung der Verwaltung und Unter- 
haltung von Chausseestrecken besteht für die Pro- 
vinzialverbände nur in einem Falle. Die beteilig- 
ten Stadtgemeinden können nämlich die Uber- 
tragung derjenigen Straßenstrecken verlangen, 
welche der Staat auf Grund des §. 9 der Vdg. betr. 
die Kommunikationsabgaben v. 16. Juni 1838 
(G. S., S. 353) übernommen hat. Kommt über 
den für die Stadtgemeinde wegen Ubernabme der 
Unterhaltung auszusondernden Anteil an der Pro- 
vinzialdotation zwischen dem Provinzialverbande 
und der betreffenden Stadtgemeinde eine Ver- 
einbarung nicht zu stande, so entscheidet das 
O. V. G. über die Höbe der zu gewährenden 
jährlichen Geldrente nach Verhältnis der aufzu- 
wendenden Kosten. Über die Berechnung dieser 
Geldrente vgl. O. V. G., VIII, S. 1.
	        
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