Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (F. 13.) 55 
in §. 147 ausgesprochenen Grundsatz die zur Abfindung gegebenen Ländereien ipso jure 
in denjenigen Kommunalverband eintreten, welchem das abgetretene Grundstück oder die 
abgelöste Berechtigung angehörte.! 
So waren die Landgemeindeverhältnisse in dem größten Teile der alten Monarchie 
durch einzelne Gesetze immerhin nur unvollkommen weitergebildet, als die Bewegung des 
Jahres 1848 hereinbrach. Schon früher? hatte man häufig versucht, die ländlichen 
Verhältnisse für die ganze Monarchie oder wenigstens provinziell einheitlich zu regeln, 
das Gendarmerieedikt v. 30. Juli 1812 (G. S., S. 141) nahm eine Ordnung für alle 
Kommunalverbäude nach allgemeinen Gesichtspunkten in Aussicht, die Allerhöchste Kabinetts- 
ordre v. 17. Jan. 1820 betreffend das Staatsschuldenwesen (G. S., S. 21) brachte dieses 
Vorhaben in Erinnerung, und der Entwurf des Staatsrats Köhler von 1815 zu einer 
Gemeindeordnung für die gesamten königlich preußischen Staaten, der Entwurf des 
Oberpräsidenten von Schoen von 1835 zu einer Landgemeindeordnung für die Provinz 
Preußen 5, wie auch zahlreiche Allerhöchste Erlasse geben Zeugnis dafür, daß die Regierung 
ernstlich an eine Erfüllung ihrer Verheißungen dachte; allein nichts kam zur Ausführung, 
indem man sich stets scheute, das Bestehende ohne dringendes Bedürfnis abzuändern. 
Jetzt zum erstenmal gelang es, wenn auch nur vorübergehend, ein einheitliches Ge- 
meinderecht einzuführen, welches in dem Justizorganisationsgesetz v. 2. Jan. 1849 (G. S., 
S. 1), dem Art. 105 der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 und der Gemeinde- 
ordnung v. 11. März 1850 niedergelegt wurde. Den Inhalt und die kurze Existenz dieser 
Gemeindeordnung, die für Stadt= und Landgemeinden gleichmäßig gelten wollte, sowie die 
Abänderung des Art. 105 der Verfassung haben wir bereits gelegentlich der historischen 
Entwickelung des Städterechts kennen gelernt, und es kann hier darauf verwiesen werden.“ 
Von größerer und dauernder Bedeutung war für die ländlichen Verhältnisse das Gesetz 
von 1849, welches die Patrimonialgerichtsbarkeit der Gutsherren für Civil= und Straf- 
sachen aufhob und sie mit den aus ihr fließenden Gerechtsamen dem Staate übertrug. 
Dies wurde durch das Gesetz v. 14. April 1856, betreffend die Abänderung des Art. 42 
der Verfassung (G. S., S. 353), im wesentlichen bestätigt, nachdem letztgenannter Ver- 
fassungsartikel vorübergehend der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit auch die der 
gutsherrlichen Polizei und obrigkeitlichen Gewalt hinzugefügt hatte. Unterm 14. April 
1856 ergingen noch zwei hierher gehörige Gesetze: betreffend die ländlichen Obrigkeiten 
(G. S., S. 354) und die Landgemeindeverfassungen in den sechs östlichen Provinzen der 
preußischen Monarchie (G. S., S. 359). Das erstere derselben bestimmte im Hinblick auf 
die Wiederherstellung der gutsherrlichen Gewalt, daß die orts(polizei)obrigkeitliche, in 
der Regel mit einem Ritter= oder anderen ländlichen Gute verbundene Gewalt ihrem 
Inhaber nur unter näher angegebenen Voraussetzungen und Formen entzogen und auf 
den Staat übertragen werden dürfe, und daß die Ortsobrigkeit allein auch die Schulzen, 
Schöppen und Stellvertreter zu ernennen habe, sofern nicht Observanz oder sonstige 
Rechtsnormen etwas anderes bestimmen. Das zweite Gesetz, welches sich selbst als 
eine Ergänzung der bisherigen Gesetze über die Landgemeindeverfassungen der östlichen 
Provinzen ankündigt, enthält bis dahin fehlende Normen über die Veränderung der 
  
1 O. V. G., II, 153; III, 99. 
à Bgl. Keil, Die Landgemeinde in den östl. 
Provinzen Preußens und die Versuche, eine L. 
G. O. zu schaffen (in den Schriften des Vereins 
f. Sozialpolitik, XILIII [Leipzig 1890)). 
Der Schoensche Entw. war in allen wesent- 
lichen Punkten der Städteordnung von 1831 
nachgebildet, dem Köhler'schen dagegen lag ein 
eigenes System zu Grunde, welches jedoch auch 
nur von historischem Interesse ist. Er wollte 
die Landgemeinden so abgrenzen, daß jede sich 
mit einem Kirchspiel deckte, dabei aber nicht 
weniger als 200 Feuerstellen und eine Bevölke- 
rung von 1000 Seelen enthielt. Größere Ge- 
meinden sollten in Bezirke mit je einem Bezirks- 
rersteher an der Spitze zerfallen. Einen solchen 
  
Bezirk sollte auch jedes gutsherrliche Gehöft 
mit mindestens 50 Seelen bilden, wo dann der 
Grundeigentümer die Stelle des Bezirksvor- 
stehers zu versehen hatte. Die Verwaltung der 
ganzen Gemeinde lag dem Schulzenamt ob, 
welches aus dem Amtmann und den Schulzen 
bestehen sollte; letztere wurden von der Bürger- 
schaft, ersterer vom Schulzenamt unter Vorbehalt 
der Bestätigung durch die Regierung gewählt. 
Das Bürgerrecht endlich sollte, abgesehen von 
gewissen Ausnahmen, den mit spannfäbigen 
Grundstücken in der Gemeinde Angesessenen 
zustehen. Näheres siehe bei Keil, a. a. O., 
S. 111 ff. 
“ Siehe oben S. 35 ff.
	        
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