Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 15.) 65
8. 15.
II. Die Gemeindestatuten.1
Das besondere geschriebene Recht der einzelnen Gemeinden beruht auf ihren auto-
nomischen Satzungen, welche Statuten genannt werden.
I. Die Städte lebten im Mittelalter, zur Zeit der Blüte der Ratsverfassung, nur
nach solchem eigenen Rechte, sie hatten eine eigene Gesetzgebungsgewalt. Der Staat der
Neuzeit hat diese den Städten genommen und ihre rechtsetzende Thätigkeit, wie die aller
anderen Kommunalverbände der seinigen untergeordnet, sodaß dieselbe sich nunmehr nur
innerhalb des Rahmens der staatlichen Gesetze bewegen kann und prinzipiell darauf
beschränkt ist, die in diesen ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze den örtlichen Ver-
hältnissen und Bedürfnissen entsprechend auszubilden und zu entwickeln. Der Inhalt
der kommunalen Selbstgesetzgebung erschöpft sich daher in Anordnungen über die Zu-
sammensetzung und den Wirkungskreis der kommunalen Organe und die wechfelseitigen
Beziehungen zwischen dem Kommunalverbande und seinen Angehörigen.? Strafbestim-
mungen zur Sicherung der Befolgung solcher Anordnungen darf der kommunale Ver-
band, abgesehen von besonderer Ermächtigung #, nicht festsetzen, wohl aber kann die Über-
tretung derselben durch örtliche Polizeiverordnungen unter Strafe gestellt werden, und
diese charakterisieren sich dann als direkt staatliche, allerdings unter Mitwirkung des Stadt-
vorstandes zu stande gekommene" — Rechtssätze, welche besonderes Stadtrecht enthalten.
Wie es eine Eigenschaft jeder Korporation ist, daß sie ihre eigenen Angelegenheiten
intra legem autonomisch ordnen kann, so muß dieses Recht auch allen Gemeinden
zuerkannt werden, sofern es ihnen nicht durch ausdrückliche Erklärung der Staatsgewalt
versagt ist 5, und es besteht daher auch da, wo die betreffenden Gemeindegesetze keine
Bestimmungen darüber enthalten.“ Im übrigen sind zwei Rechtsgebiete zu unterscheiden: In
Schleswig-Holstein und Hannover muß jede Stadt ein Statut über alle diejenigen
Punkte errichten, für welche die Städteordnung statutarische Regelung ausdrücklich fordert.
Außerdem kann das Ortsstatut diejenigen Angelegenheiten regeln, hinsichtlich deren die
Städteordnung Verschiedenheiten gestattet oder keine ausdrücklichen Bestimmungen ent-
hält.“' Keine dieser Anordnungen darf den bestehenden Gesetzen widersprechen." In den
übrigen Gebietsteilen ist die Errichtung eines Ortsstatuts in das Belieben jeder
Stadt gestellt, und zwar soll dasselbe nach den Städteordnungen für die alten Provinzen,
für den Regierungsbezirk Wiesbaden und Frankfurt a. M. Anordnungen treffen können:
1) über solche Angelegenheiten der Stadtgemeinde, sowie solche Rechte und Pflichten
ihrer Mitglieder, hinsichtlich deren die Städteordnungen Verschiedenheiten gestatten oder
keine ausdrücklichen Bestimmungen enthalten;
2) über sonstige eigentümliche Verhältnisse und Einrichtungen.“
1 Leidig, S. 186; v. Möller, St., 88. 57, * Unter Gesetz ist hier jede objektive Rechts-
58; derselbe, L., §§. 35, 36; Steffenhagen, norm, nicht nur das formelle Gesetz zu ver-
Ss. 5, 22. stehen. O. V. G., XVI, S. 54. Über die
: O. V. G., XVI, S. 56; Ortel, S. 144. Frage, wann das jus r-*n praeter legem
Vgl. z. B. . A. G., . 82. handelt, vgl. O. V. G., IV, 1.
* In dem Erfordernis der Zustimmung des St. O. ö., wiesb. u. w., 6.4 in rh., §S. 10;
Stadworstandes zum Zustandekommen einer G. G. frkf., g. 3. Die St. O. z. w. u. rh.
Ortspolizeiverordnung ist kein Ausfluß der fahren bei Z. 2 fort: „insbesondere hinsicht-
städtischen Autonomie zu finden. Dieses er= lich der den gewerblichen Genossenschaften bei
giebt sich schon daraus, daß die Zustimmung Einteilung der stimmfähigen Bürger und bei
eventuell durch den Bezirksausschuß ergänzt Bildung der Wahlversammlungen und der
werden kann. L. V. G., §S. 143. städtischen Vertretungen zu gewährenden ange-
s Bgl. Brater in seinem und Bluntschlis messenen Berücksichtigung“. Vgl. dazu Ortel,
Staatswörterbuch, IV, S. 148. S. 143, Anm. 1; Marcinowski, S. 63. Anm.
* So das nassauische und die hohenzollern= 111; M. Instr. z. Ausf. der St. Ordugn. v.
schen G. G. 20. Juni 1853, Nr. VII, und v. 9. Mai 1856,
St. O. schlesw. bolst., §§. 17, 18; hann.,N. IV. Das G. G. feif. enthält statt dessen
1—3 37. den Zusatz: „insbesondere auch behufs
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