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unwissend waren, ließ er für sie die Predigten alter berühmter Kirchenväter über-
setzen. Geistliche, die nicht lesen konnten, mußten es noch lernen. Aus dem Volke
sollte jeder den Glauben und das Vaterunser auswendig lernen, und wer nicht wollte,
wurde mit Prügelstrafe bedroht. „Unausgesetzt war
Karl mit den Angelegenheiten seines Reiches be-
schäftigt; oft stand er des Nachts 4—5 mal von seinem
Lager auf und wandte sich seinen Arbeiten zuz selbst
beim Ankleiden verhandelte er von Geschäften mit
seinen Räten oder ließ Parteien vor, die seinen
Richterspruch suchten; beim Mahle ließ er sich geschicht-
liche oder erbauliche Schriften vorlesen; keine Stunde
verstrich ungenutzt.“ Karl hatte in seiner Jugend
wenig Gelegenheit zum Lernen gehabt. Schreiben
lernte er erst im Mannesalter. Er hatte deshalb
immer eine Schreibtafel von Wachs unter dem
Kopfkissen liegen, und nachts, wenn er nicht schlafen
konnte, zog er sie hervor und übte die schwert-
gewohnte Hand im Führen des leichten Griffels.
Doch brachte er es in der Kunst des Schreibens
nicht mehr weit; denn die meisten seiner Unter-
schriften bestanden nur aus einem im Viereck ge-
zogenen Strich. Karl wollte, daß an seinem Hofe
keiner zu finden sei, der nicht lesen und schreiben
könne. Deshalb berief er gelehrte Männer zu sich
und gründete eine Schule an seinem Hofe, in der
die Kinder seiner Diener, sowohl der hohen als der
aleine Bronzestataette; früher m Don. niederen, unterrichtet wurden. Ost besuchte er diese
schab zu Metz, jetzt im Museum Carna. Schulen, belohnte die Fleißigen und strafte die Faulen.
valet in Porie- (Ged.: Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt.)
4. Der Heerbann. In Kriegszeiten ließ Karl den Heerbann aufbieten. Zu
diesem gehörten einmal alle Lehnsleute des Königs (Grafen, Bischöfe usw.) und
sodann alle freien Männer, die wenigstens vier Hufen Land als Eigentum besaßen.
(Ein. Hufe = 30 Morgen. Ein Morgen war so viel Land, wie man mit einem Ge-
spann in einem Tage bearbeiten konnte.) Auf Befehl des Königs mußten sie mit
ihrem Gefolge erscheinen. In einem Schreiben Karls an einen Abt heißt es:
„Wir gebieten dir, dich am 17. Juni in Staßfurt an der Bode als dem festgesetzten
Sammelorte pünktlich einzufinden. Du sollst aber mit deinen Leuten so vorbereitet dahin-
kommen, daß du von da schlagfertig ziehen kannst, nämlich mit Waffen und Gerät und anderen
Kriegserfordernissen an Lebensmitteln und Kleidern, daß jeber Reiter Schild und Lanze, ein
zweihändiges und ein kurzes Schwert, Bogen und Köcher mit Pfeilen habe. Dann, daß ihr
habet auf euren Wagen: Hacken, Keile, Mauerbohrer, Axte, Grabscheite, eiserne Schaufeln
und was sonst im Kriege nötig ist. Die Wagenvorräte müssen vom Sammelplatze an auf drei
Monate reichen, Waffen und Kleider auf ein halbes Jahr. Insbesondere aber gebieten wir
euch, wohl darauf zu achten, daß ihr in guter Ordnung zu dem angegebenen Orte ziehet und
S4ct nicht unterstehet, irgend etwas zu nehmen außer Futter für das Vieh und Holz und
alser.
5. Krieg mit den Langobarden. 774. Anfangs regierte Karl mit seinem Bruder
Karlmann gemeinschaftlich. Nach dessen Tode nahm er das ganze Frankenland allein