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in weit kürzerer Zeit, bei steigender Temperatur schon in vierundzwanzig
Stunden. Die Hefe sammelt sich dann oben, weshalb man diese Gärung Ober-
gärung nennt. Das fertige Bier gärt immer noch etwas nach. Diese Nachgärung
verläuft beim untergärigen Bier langsamer als beim obergärigen. Daher ist es
auch haltbarer als das obergärige, da mit der Nachgärung der Gehalt an Kohlen-
säure sich erneuert.
84. Weinbereitung. Die reifen Trauben werden ausgepreßt. Der süße Saft heißt
Most. Er hat stets, auch bei den blauen Beeren, eine weiße Farbe. Will man roten
Wein erzielen, so läßt man auch die Stengel und Hülsen mit gären. Durch die Gerb-
säure, die in den Stielen und Hülsen enthalten ist, erhält der Rotwein seinen herben
Geschmack. Den jungen Most bringt man in großen Fässern zur Gärung, ohne, wie beim
Biere, Hefe hinzuzusetzen. Die Hefepilze gelangen aus der Luft in den Most und ver-
mehren sich sehr schnell. Die Weintrauben enthalten nämlich viel Zucker, wie ihr süßer
Geschmack zeigt. Diesen Zucker spalten die Hefepilze in Weingeist und Kohlensäure.
Damit die Kohlensäure entweichen kann, müssen die Fässer beim Gären geöffnet sein.
Der Most beginnt zu schäumen und wirft die Hefe und alle unreinen Teile an die Ober-
fläche. Je mehr aber der Zuckerstoff abnimmt, desto ruhiger wird der Most, und endlich
fällt die Hefe matt auf den Boden nieder. Der nun halbfertige Wein wird abgezogen,
um in anderen Fässern unter Abschluß der Luft seine Gärung zu vollenden. Dazu ist
fast ein ganzes Jahr nötig. Durch diese Nachgärung bilden sich wohlriechende Stoffe,
die dem Weine einen angenehmen Duft verleihen, den man Blume nennt. Wird der
Wein, ehe er ausgegoren hat, mit einem Zusatze von Zucker in fest verschlossene Flaschen
getan, so daß die Kohlensäure nicht entweichen kann, so erhält man den Champagner.
Die Kohlensäure ist bei ihm vom Weine aufgesogen. Daher der Knall beim Offnen der
Flasche und das Schäumen des Weines. In ähnlicher Weise bereitet man aus Stachel-,
Johannis= und anderen Beeren Weine.
85. Spiritusbrennerei. Viele Zentner Kartoffeln werden in einem großen Kocher
mittels heißen Dampfes zu dünnem Brei zerkocht. Mit diesem wird Gerstenmalz, das mit
Wasser zu dünner Milch zerrieben ist, durcheinander gerührt, bis alle Stärke in Zucker ver-
wandelt ist. Die so erhaltene Maische wird rasch abgekühlt und in großen Bottichen mit
Hefe gemengt. Diese spaltet den Zucker in Weingeist und Kohlensäure. Die Kohlensäure
entweicht. Den Weingeist trennt man durch Destillieren von der breiigen Masse, die nach
dem Austreiben desselben Schlempe heißt und als Viehfutter dient. Der fertige Spiritus
enthält meist über 90% Weingeist, das übrige ist Wasser und ein übelriechendes Gift,
das man Fuselöl nennt.
86. Essigbereitung. Laß Bier längere Zeit in einem offenen Gefäße stehen. Es
wird sauer. Sein Weingeist nimmt dabei Sauerstoff auf und verwandelt sich dadurch in
Essigsäure und Wasser, d. i. Essig. Um Essig im großen herzustellen, schüttet man in
große Fässer ausgekochte und mit Essig getränkte Hobelspäne von Buchenholz. Dann
gießt man durch den durchlöcherten oberen Boden verdünnten Weingeist. Dieser sickert
von Span zu Span und gewinnt so eine große Berührungsfläche mit der Luft, so daß
er ihr den Sauerstoff leicht und schnell entziehen kann. Damit fortwährend frische Luft
zu der Flüssigkeit gelangt, sind die Seitenwände des Fasses in der Mitte durchlöchert.
Der entstandene Essig sammelt sich unten und fließt durch ein Rohr ab.
Druck von Velhagen & Klasing in Bielefeld.