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VIII. Leben im Ulittelalter. Erfindungen und
Entdeckungen.
1. Die Bauern.
1. Der Bauernstand. Die Bauern waren ursprünglich freie Leute. Jeder
hatte einen Hof mit mehreren Hufen Land. Den Hof erbte in der Regel der älteste
Sohn, die anderen Söhne blieben als Knechte bei ihm. In Westfalen und Friesland
und in den Ansiedlungsgebieten im Norden und Osten saßen noch im späten Mittel-
alter freie Bauern als wohlhabende Herren auf ihren stattlichen Gütern. Die meisten
Bauern gerieten immer mehr in Abhängigkeit. Die Zinsbauern entrichteten für
das erhaltene Gut eine Abgabe, z. B. den Wachszins an die Kirche. Im übrigen
war sie frei. Den Fronbauern war Land zur Bewirtschaftung übergeben, wofür
sie dem Grundherrn nicht nur die Lebensmittel in die Küche lieferten, sondern auch
die Dienste verrichteten, die in der herrschaftlichen Haushaltung vorfielen. Zu be-
stimmten Zeiten mußten die Gefälle wie Gänse, Hühner, Schweine, Fische, Butter,
Eier, Korn, Kessel und Töpfe entrichtet werden. In späterer Zeit traten an die
Stelle solcher Lieferungen Abgaben in Geld, die Zins oder Steuern genannt wurden.
Da diese in der Regel an den Festtagen erhoben wurden, so erklären sich daraus
die Namen Michaelissteuern, Osterzinsen, Weihnachtshühner usp. Manche hörige
Bauern mußten am Hofe die Ofen heizen, Brot backen, Bier brauen, Holz spalten,
Nachtwachen leisten und Botengänge verrichten. Zuweilen auch mußte der Bauer
mit seinem Gespann für den Herrn arbeiten und ihm Holz, Mehl und Steine herbei-
fahren, seinen Acker bestellen oder die Ernte besorgen. Beim Tode des Mannes
konnte der Herr das beste Stück Vieh (das Besthaupt) aus dessen Stalle holen. Die
Aufsicht über diese unfreien Bauern führte der Meier, der auf dem Meierhofe
wohnte. Gar keine Freiheit hatten die Hörigen oder Leibeigenen (Knechte
und Mägde), die kein Land besaßen, sondern in Küche, Stall und auf dem Felde,
auch wohl als Handwerker beschäftigt wurden. Der Herr konnte sie verkaufen. Ohne
seine Erlaubnis durften sie sich nicht verheiraten. Ihre Kinder waren wieder
leibeigen.
2. Blütezeit. Dem Bauer ging es im 12. und 13. Jahrhundert recht
gut. Die Ritter lebten ihren ritterlichen Neigungen. Infolge besserer Bewirt-
schaftung des Bodens wurde der Ertrag gesteigert, aber der Zins war nicht gestiegen.
Weinberge wurden gepflegt, und neue Gemüsesorten kamen ins Land. Auf den
Märkten konnte der Bauer seine Ware teuer verkaufen. Der Bauer wurde
wohlhabend. Auf seinen Festen ging es lustig zu. Er kleidete sich gut, trug sogar
Waffen. Wenn ein Unfreier an einem Kreuzzug teilnahm, erlangte er die Freiheit,
desgleichen, wenn er sich in der Stadt niederließ. Viele junge Leute wanderten
auch über die Elbe in die Slawenländer aus und gründeten dort eine neue Heimat
als freie Bauern. Die Grundherren mußten deshalb ihre Leute gut behandeln,
wenn sie Arbeitskräfte genug behalten wollten.
3. Bauernelend. Das änderte sich aber im 14. und 15. Jahrhundert.
Die Auswanderungen in östliche Gebiete hörten auf. Auch die Städte hatten Pfahl-
bürger genug. Die Bauerngüter wurden bei Vererbung in immer kleinere Stücke
geteilt. Wer keinen Grund und Boden erhielt, wurde völlig leibeigen. Die adeligen