10. Nov.
1483
1 — 66 —
aber die Geistlichen beruhigten ihn durch die Worte, einem Ketzer brauche man das
gegebene Versprechen nicht zu halten. Hus verfiel in eine schwere Krankheit und
war dem Tode nahe. Kaum genesen, wurde er in die Domkirche geführt, wo das
Konzil versammelt war. Nach seiner gewaltigen Verteidigungsrede forderte man,
er solle seinen als ketzerisch bezeichneten Lehren abschwören. Er aber sprach: „Wenn
man mich aus der Bibel eines Irrtunis überführt, so will ich gerne widerrufen, wo
nicht, so werde ich bis in den Tod meinem Glauben treu bleiben.“ Da verdammte
ihn das Konzil zum Feuertode. Auf einer Insel im Rhein wurde der Scheiter-
haufen errichtet. Als die Flammen emporschlugen, sang Hus: „Christe, du Lamm
Gottes, erbarm dich mein!“ bis der Rauch die Stimme des Sterbenden erstickte.
Seine Asche wurde in den Rhein gestreut. Ein Jahr darauf wurde auch sein Freund
Hieronymus an derselben Stelle verbrannt.
4. Hussitenkrieg. 1419—1435. Wilder Zorn ergriff die Böhmen bei der
Nachricht von dem Feuertode des Johann Hus. Ritter, Bauern, Handwerker scharten
sich zusammen und forderten den Kelch beim Abendmahle zurück. Zu ihrem An-
führer wählten sie den wilden Ziska (d. h. der Einäugige). In ihren Fahnen
flatterte das Bild des Kelches, und dem Zuge voran ging ein Priester mit dem Kelche
in der Hand. 1419 drangen sie ins Prager Rathaus und stürzten 13 Ratsherren
zum Fenster hinaus, weil diese Befehle gegen ihre Versammlungen erlassen hatten.
Dann plünderten sie Kirchen und Klöster und verübten furchtbare Grausamkeiten
an den Katholiken. Den Kaiser Sigismund wollten sie als König von Böhmen
nicht anerkennen, weil er wortbrüchig geworden sei. Er schickte mehrere Heere gegen
sie, aber diese konnten nichts ausrichten. Mit Sensen, Keulen, Dreschflegeln und
Lanzen bewaffnet, durchzogen die Hussiten Böhmen, Sachsen, Bayern und Franken
und verwüsteten alles Land ringsumher. Später kam ein Vertrag zustande, wonach
die Hussiten Sigismund als König anerkannten, während ihnen der Kelch beim
Abendmahl zugestanden wurde.
2. Dr. Martin Lutber.
1. Jugend. Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren
und am folgenden Tage auf den Namen Martin getauft.
Er sagt von sich selbst: „Ich bin eines Bauern Sohn. Mein Vater, Großvater und Ahn-
herr sind rechte Bauern gewest. Danach ist mein Vater (von Eisleben) nach Mansfeld ge-
zogen und allda ein Bergmann geworden. Mein Vater ist ein armer Häuer gewest, die Mutter
hat all ihr Holz auf dem Rücken eingetragen, damit sie uns Kinder erziehen könnte. Sie haben
es sich lassen blutsauer werden. Meine Eltern haben mich gar hart gehalten, daß ich auch darüber
ganz schüchtern wurde. Die Mutter stäupte mich einmal um einer geringen Nuß willen, daß
das Blut darnach floß. Meiner Mutter ernst und gestreng Leben, das sie führte, das ver-
ursachte mich, daß ich hernach in ein Kloster lief und ein Mönch wurde.“
Frühzeitig besuchte der kleine Martin die Schule, und da er fleißig war und
schnell lernte, so sollte er einmal ein gelehrter Mann werden. In seinem 14. Jahre
brachten ihn seine Eltern auf die lateinische Schule nach Magdeburg und ein Jahr
später nach Eisenach. Hier ging er nach altem Brauch mit anderen Chorschülern
von Zeit zu Zeit in den Straßen umher und sang vor den Häusern reicher Leute
fromme Lieder. Einst war er von zwei Häusern ohne Singelohn abgewiesen worden.
Traurig und verzagt kam er zu der Wohnung der Frau Cotta, die schon oft ge-
hört hatte, wie schön und andächtig der arme Martin sang. Sie rief ihn herein,