Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

— 67 — 1. 
gewann ihn sehr lieb und nahm ihn in ihr Haus und an ihren Tisch. Jetzt konnte 
er ohne Sorge fleißig arbeiten und auch noch Flöte und Saitenspiel lernen. 
2. Auf der Universität. 18 Jahre alt, bezog Luther die Universität Erfurt. 
Hier studierte er mit großem Fleiß, und obwohl er ein hurtiger und fröhlicher Geselle 
war, fing er doch alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebet an. Sein Sprich- 
wort war: „Fleißig gebetet, ist über die Hälfte studiert.“ Auf der dortigen Bibliothek 
fand er zum erstenmal die ganze Heilige Schrift. Diese lag ihrer Seltenheit wegen 
an einer Kette, damit sie nicht abhanden kommen sollte. Bisher hatte Luther nur 
einige Stücke aus der Bibel kennen gelernt; jetzt hatte er den ganzen Schatz. Das 
war eine Freude für ihn. Er studierte nun eisrig darin, 1505 erlangte er die Würde 
eines Magisters und hielt Vorlesungen an der Universität zu Erfurt. Einst verfiel 
er in eine schwere Krankheit und war dem Tode nahe. Da besuchte ihn ein alter 
Priester und sprach: „Seid getrost, Ihr werdet dieses Lagers nicht sterben. Unser 
Gott wird noch einen großen Mann aus Euch machen. Denn aus wem Gott etwas 
ziehen will, dem legt er beizeiten das heilige Kreuz auf." 
3. Im Kloster. Als Luther 1505 zur Osterzeit seine Eltern besuchen wollte, 
verletzte er sich unterwegs mit einem Degen, wie ihn nach damaliger Sitte die 
Studenten trugen, die Hauptader des Beines, so daß er fast den Tod davon gehabt 
hätte. Einige Monate später wurde er durch den plötzlichen Tod eines Freundes 
tief erschüttert. Und als er im Juli desselben Jahres von einer Reise zu seinen Eltern 
nach Erfurt zurückkehrte, überraschte ihn ein heftiges Gewitter, und ein Blitzstrahl 
fuhr dicht neben ihm in die Erde. Da gelobte der durch alle diese Ereignisse schwer- 
mütig gewordene Jüngling: „Hilf, liebe Sankt Anna, ich will ein Mönch werden!"“ 
In der Hoffnung, sich in klösterlicher Heiligkeit die ewige Seligkeit zu verdienen, 
führte er dieses Gelübde ohne Wissen seines Vaters aus und trat in das Augustiner- 
kloster zu Erfurt ein. Hier las er fleißig in der Bibel. Die Mönche aber sagten 
ihm: „Mit Betteln und nicht mit Studieren dient man dem Kloster.“ Luther ließ 
es sich blutsauer werden und unterzog sich den niedrigsten Arbeiten. Er fegte die 
Zellen, läutete die Glocke, hütete die Tür und zog barfuß mit dem Bettelsack in der 
Stadt umher, um Eier, Brot, Würste und Geld zusammenzubetteln. Ruhe für 
seine Seele aber fand er dadurch nicht. 
Der Vorsteher der Augustinerklöster aber, Dr. Staupitz, der sich seiner freund- 
lichst annahm, suchte ihn mit den Worten zu trösten: „So halten wir es nun, daß 
der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben!" 
Das machte auf Luther einen gewaltigen Eindruck und beruhigte ihn endlich. Im 
Jahre 1508 berief ihn Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, zum Lehrer 
an die neugegründete Hochschule in Wittenberg. Hier wohnte er im Augustiner- 
kloster. In der alten Klosterkirche predigte er auch. Später wurde er vom Rate 
der Stadt auch zum Prediger der Pfarrkirche ernannt. 
4. Reise nach Rom. Im Jahre 1510 wurde Luther in Ordensangelegenheiten 
nach Rom geschickt. Er trat die Reise mit großen Erwartungen an, fand sich aber 
sehr getäuscht, als er die Sittenlosigkeit der Geistlichen aus eigener Anschauung 
kennen lernte. Mit Abscheu sah er, wie sie mit dem Allerheiligsten Spott trieben 
und die Messe gedankenlos herplapperten. Das erfüllte ihn mit tiefem Schmerz, 
hielt ihn aber nicht zurück, alle Satzungen der Kirche treu zu erfüllen. So rutschte 
er z. B. demütig auf den Knien die Pilatusstiege hinauf, um den daran geknüpften 
5 
1508 
1510
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.