Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

1 70 — 
bat er sich einen Tag Bedenkzeit aus. Die Nacht darauf verbrachte er in inbrünstigem 
Gebet, und am 18. April trat er, die Bibel im Arm, mit aller Entschlossenheit wieder 
in den Saal. Mutig verteidigte er seine Bücher und Lehren in einer zweistündigen 
Rede in lateini- 
scher und deut- 
scher Sprache. 
Der Kanzler sag- 
te, man brauche 
seine Sätze nicht 
zu widerlegen, 
sie seien schon 
auf dem Konzil 
zu Konstanzver- 
urteilt worden. 
Er solle schlicht 
und einfach be- 
antworten, ob 
er widerrufen 
wolle oder nicht. 
Da sprach Lu- 
ther: „Nun, so 
willich eine Ant- 
wort geben, die 
weder Hörner 
noch Zähne 
haben soll. Es 
sei denn, daß ich 
mit Zeugnissen 
der Heiligen 
Schrift oder mit 
klaren und hel- 
len Gründen 
überwunden 
werde und also 
mein Gewissen 
in Gottes Wort 
gefangen ist, so 
kann und will 
ich nichts wider- 
» » rufen, weil we- 
der sicher noch 
geraten ist, etwas wider das Gewissen zu tun.“ Um 8 Uhr gab der Kaiser Befehl, 
die Versammlung zu schließen. Da hörte man Luther noch die Worte rufen: 
„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen.“ Die Anhänger 
des Papstes drangen in den Kaiser, dem Ketzer nicht Wort zu halten, sondern ihn 
sogleich verbrennen zu lassen. Aber der jugendliche Kaiser soll geantwortet haben: 
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