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Rücksichten siegreich hinweg. Es entstand eine außerordentliche
Zahl großer öffentlicher Bauten, die wohl ihren Zwecken ent-
sprechen, sich aber an Schönheit mit den alten Bauwerken meist
nicht messen können. Die neu aufschießenden Häusermassen bedecken
wie ein Schlackenstrom das Grün der lieblichen Umgegend. Sehr
anzuerkennen ist das Bestreben, die charakterlose Einförmigkeit der
modernen Stadt durch wohlgepflegte Gärten und Anlagen freund-
licher zu gestalten. Dresden hat sich durch seine Theater, seine
Kunstschätze, sein fröhliches Leben und Treiben die alte An-
ziehungskraft bewahrt. Noch eins ist ihm aus früheren Zeiten
geblieben: die Anhänglichkeit seiner Bewohner an das Königshaus.
Nach Beendigung der tiefen Trauer um König Johann
begaben sich König und Königin Ende Januar 1874 zu längerem
Aufenthalt nach ihrer treuen Stadt Leipzig, dem großen Handels-
und Industrieplatze Sachsens. Der Empfang des Königspaares
war ein sehr herzlicher. Durch Serenade, Illumination, Fackelzug
der Studentenschaft gab die Bevölkerung ihrer Freude Ausdruck,
das Königspaar in den Mauern der Stadt zu sehen. Die
Königin hielt einen Damenempfang ab, besuchte mehrere Wohl-
thätigkeitsanstalten und begleitete den König bei der Besichtigung
verschiedener großer industrieller Etablissements. Die Besuche
Leipzigs fanden in ähnlicher Weise von nun an alljährlich statt.
Das Hoflager wird im Palais auf der Goethestraße aufgeschlagen;
hier versammeln sich die Offiziere der Garnison, Staats= und
städtische Beamte, Vertreter der Universität, der Geistlichkeit
und des Lehrstandes, Männer der Kunst und Wissenschaft, Kauf-
leute und Fabrikanten um ihren Landesherrn. Bei jeder An-
wesenheit wohnt der König einigen Vorlesungen an der Universität