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erinnerte sich später, daß diese armen Frauen eines Tages von
Jakobinern gezwungen wurden, um den Freiheitsbaum zu tanzen.
Ihr Onkel Lezai-Marnésia führte sie der Kaiserin Josephine
zu. Diese war ihr sehr wohlwollend gesinnt und ließ ihre Er-
ziehung in der bekannten Anstalt der Madame Campan in St.
Germain vollenden. Die Erzieherin schilderte den Charakter des
jungen Mädchens: „Es ist eine merkwürdige Mischung von Eigen-
schaften in ihr, Eigenliebe, Ehrgeiz, Trägheit, Liebenswürdigkeit,
Geistesschärfe, Leichtlebigkeit, Stolz und Frömmigkeit: vielerleie
Eigenschaften, welche die verschiedenste Einwirkung auf das Glück
oder Unglück ihres Lebens haben werden, je nachdem sie ge-
ordnet oder ungeordnet sind.“ Ihr Außeres war anmutig; sie
war gut gewachsen, hatte ausdrucksvolle Züge, einen blendenden
Teint, lebhafte blaue Augen, schönes blondes Haar und eine sehr
wohlklingende Stimme. Hierzu kamen vornehme Manieren,
natürlicher Witz, Heiterkeit und Lebhaftigkeit. Kaiser Napoleon
war ihr besonders zugethan. Obgleich ihr Vater noch lebte,
adoptierte er sie, sie erhielt den Titel „Kaiserliche Hoheit“ und
den Vortritt vor den Schwestern des Kaisers. Auf der Höhe
seiner Macht, 1806, verfügte Napoleon: „Da es Unser Wille
ist, daß die Prinzessin Stéphanie Napoléon, Unsere Tochter, alle
ihrem Range gebührenden Vorteile genieße, wird sie bei allen
Cercles, Festen und Tafeln ihren Platz an Unserer Seite und,
wenn Wir abwesend sind, zur Rechten Ihrer Majestät der Kaiserin
haben.“ In der Kapelle des Tuilerienpalastes wurde am 8. April
1806 abends 8 Uhr die Hochzeit der Prinzessin Stephanie mit
dem Kurprinzen Karl Ludwig Friedrich von Baden mit großem
Glanze gefeiert. Die Prinzessin wurde 1811 Großherzogin und