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sonders war es der Typhus, der schnell alle Besucher verscheuchte.
War er aufgetreten, so kam niemand mehr nach den Verwundeten
und Kranken zu fragen. Die Kronprinzeß kam; sie ging an
keinem schnell vorüber, sie hatte für jeden und für alle Zeit.
Viele Stunden verbrachte sie bei ihren Besuchen in den Hospitälern.
In den letzten Tagen des Monats August trat ein schlimmer Gast
in die Reihen des Armeekorps, die Choleraj doch gelang es, die
Zahl der Opfer, welche die Seuche in und bei Wien unter der
Bevölkerung zahlreich forderte, auf 24 Sterbefälle zu beschränken.
In dieser Zeit hatte die Kronprinzeß gewünscht, daß die dienst-
thuende Hofdame ihr nicht in das Hospital hinein folge; als
diese es doch versuchte, sagte sie: „Ich befehle Ihnen, mich nicht
zu begleiten.“ Die hohe Frau setzte sich durch ihr Verhalten ein
unvergängliches Denkmal der höchsten Verehrung im Herzen aller
Angehörigen des Armeekorps. · «
Die Friedensverhandlungen zogen sich in die Länge. Als
die rauhere Jahreszeit vor der Thür stand, wurden die Kantonne—
ments der Truppen mehr ausgebreitet. Hetzendorf blieb nach
wie vor des Kronprinzen Hauptquartier. Einer Aufforderung
der Kaiserin folgend, reiste die Kronprinzeß Mitte August auf
einige Tage zu derselben nach Buda-Pest, widmete ihre Für-
sorge den dort liegenden sächsischen Verwundeten und besuchte
auf der Rückreise ihre Jugendfreundin Gräfin Zichy, geb. Reichs-
freiin von Vittinghoff-Schell, in St. Peter. Sie erfreute sich hier
am Czardas-Tanz mit Zigeunermusik und erlebte es selbst, daß
diese drei Stunden, ohne auszusetzen, spielte. Frau von Montbé,
geb. von Nostitz-Jänckendorff, für welche die Kronprinzessin wahr-
haft freundschaftliche Gesinnungen hegte, löste Fräulein von Minck-