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eine Weide des Rehs. Neben dem Walde breiten sich sumpfige
Wiesenflächen in den sanften Faltungen der Ebene ans. Um sie
zu entwäfsern, schneiden Gräben in geraden Linien durch die Flur.
An den Rändern wachsen Weidenstrauch und Haselbusch und bilden
natürliche Zäune. Saftreiches Gras entsproßt in hohen Halmen
dem fenchten Boden und wird von der glänzenden Dotterblume,
dem weißen Herzblatt und der rosigen Herbstzeitlose durchblümt.
Die Wildente nistet im schilfigen Teichrande, der Kiebitz legt seine
birnförmigen Eier in die begraste Höhlung, und der Storch schreitet
fröschesuchend an den Mähern vorbei. Von Wiesen umsänmt, ziehen
sich anch Felder in langen Gebreiten die Ebene entlang. Korn
und Weizen wogen ährenschwer auf schwanken Halmen, der Klee
sinkt in langen Schwaden unter der scharfen Sense, und die Zucker-
rübe wird aus dem Acker gehoben, um in die Fabrik (zu Markranstädt)
zu wandern. Der schwere Boden der Gärten trägt Kohl und
Gemüse und kündet die Nähe der kleineren Dörfer und Städte an,
die Leipzig mit ihrem „Grünzeng“ versorgen. Friedlich liegen die
schmucken Wohn= und Wirtschaftsgebände mit ihren Ziegeldächern
hinter Obstbäumen versteckt, eine weiß getünchte Kirche leuchtet
hervor, die Mühle klappert im Tale, von der Kraft des Baches
getrieben, oder, vom Winde beflügelt, auf luftiger Höhe. In Wald
und Wiese, in Garten und Feld, in Dorf und Stadt ge-
währt der Anbau überall den Ausdruck der Fruchtbarkeit
des Bodens und des Wohlstandes seiner Bewohner.
3. Doch die Türme und Tore in den frenndlichen Dörfern
tragen überall auch Spuren eines blutigen Kampfes. Todbringende
Kugeln sind in den Giebeln der Häuser vermanert, und Denksteine
erheben sich in der gesegneten Flur, um uns von berühmten Feld-
herren und fremden Völkerschaften zu erzählen, die in den Tagen des
Oktober (16.—19.) des Jahres 1813 auf Leipzigs Ebene um Sieg
und Leben rangen. Au der Straße nach Grimma im Suddosten
von Leipzig steht noch ein Erinnerungsstein an Stelle einer alten
Mühle auf niederem Hügel. Von hier ans lenkte der große Napo-
leon seine Truppen, während die Kugeln ihn umsansten und eine
Granate den Erdboden an seinem Wachtfeuer aufriß. Etwa ein
Stündchen vom Napoleonstein entfernt, erhebt sich an der Straße
ein zweiter Hügel (160 m), auf dem die Kaiser von Rußland und
Osterreich neben dem Könige von Preußen stauden, um von hier aus
die tapferen Truppen gegen die feindliche Macht der Franzosen zu
führen. Im kühnen Angriffe drangen die Verbündeten gegen den
Feind vor, der sich hinter den Lehmmauern der Obstgärten, in den
Gehöften und Schennen der Güter so hartnäckig verteidigte, daß es
nur dem wiederholten Anstürmen gelang, ihn nach Leipzig zurück-
zudrängen. Als aber, von den jubelnden Truppen umringt, die drei
Monarchen (daher „Monarchenhügel“") die freudige Botschaft des
Sieges empfingen, beugten sie demütig ihre Knie vor dem Lenker
der Schlachten, der durch diesen Sieg das deutsche Volk von der