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tüchtiger Mannschaft besetzt. Gegen jeden äußeren Feind scheint
er gewappnet zu sein, und doch drohte ihn ein innerer zu bezwingen.
Den Hunger der Truppen können die vielen Mundvorräte der
Magazine stillen. Aber wie wollte man dem Bruder desselben, dem
todbringenden Durste, begegnen? Unten rauscht das Wasser des
Elbstroms in reicher Ader vorüber. Aber wie sollte man es auf
die Felsenhöhe leiten, ohne daß die Leitung unterbrochen werden
konnte? Von oben her träufelt auch der Segen des Wassers aus
der Regenwolke auf den Königstein hernieder. Wie aber sollte das
Gestein verdichtet werden, um die Tropfenfülle zu bewahren? Zwar
sind in dem Rücken des Berges einige Sammelbecken eingegraben
worden. Aber das Cisternenwasser kann nur für wirtschaftliche Zwecke
des Festungshaushaltes Verwendung finden. Um dem Mangel an
Trinkwasser gründlich abzuhelfen, mußte ein tiefer Schacht gegraben
und frisches Quellwasser im Schoße des Berges selbst aufgesucht
werden. Schon im 16. Jahrhunderte gelang es nach 40jähriger
Arbeit, eine Bergeshöhlung von 187 m Tiefe zu graben und ein
trinkbares Wasser zu finden, das 17 m hoch im Schachte steht und
selbst in Zeiten größter Dürre noch niemals ausgeblieben ist. Gießen
wir von der oberen Umrandung des Brunnens eine Schale mit
Wasser in das Innere desselben aus, so vernimmt unser Ohr erst
nach 20 Sekunden den Aufschlag desselben in der Tiefe. Dieser
wertvolle Brunnen ist mit einem steinernen Hanse überbaut. Durch
ein Tretrad wurde früher über der Offnung eine Walze gedreht,
an welcher die Wassereimer auf= und niederstiegen. Jetzt besorgt
eine kleine Dampfmaschine die Hebung des Wassers und reicht das
erquickende Labsal den Durstigen, die sonst wie in einer Felsenwüste
rettungslos verschmachten müßten. So dient auch dieser
Brunnen, der tiefste in unserem Königreiche Sachsen,
mit zur unentbehrlichen Ausrüstung der Felsenfeste.
5. Der Königstein gleicht uun einem unnahbaren Adlerhorste.
Wie mit dem Auge eines Aars blickt er scharf in die Ferne. Schneller
als der Flug der Fittiche ist der Flug seiner Geschosse. Wie der Aar
seine Beute, bewacht er die ihm anvertrauten Schätze in mächtigen
Klauen. Schon wiederholt wurden die schriftlichen Urkunden, die
für die Geschichte unseres Staates so unersetzlich sind, seinem Schutze
anvertraut. Als 1866 der Feind vom Norden her in unseren Elb-
grund rückte, wurden auch die Kostbarkeiten des Grünen Gewölbes
hier in sicheren Gewahrsam gebracht. Noch edlere Schätze aber barg
er, als unser König Friedrich August II. 1849 mit seinen Räten
hinter den Mauern der Festung eine Zuflucht suchte, die er im
Schoße seiner Hauptstadt nicht mehr fand, da das Volk die bestehende
Ordnung brach. Damals hat der Fels seinen alten Namen „König-
stein“ mit Ehren erneuert. Hat er sich nun auch als eine Schutz-
stätte für die Schätze unseres Staates und für die unverletzliche
Person des Königs bereits bewährt, so bleibt ihm doch noch die
eigentliche Aufgabe zu lösen, eine Schutzburg unseres Landes und