Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

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durch die Oberlausitzer Jutespinnerei erhalten, in der sich gegen 
1500 Spindeln drehen, um aus den seidenartigen Fasern der indischen 
Pflanze ein bräunlichgelbes Garn zu gewinnen. Es ist überraschend, 
welch schönen Glanz dann die fertigen Gewebe entfalten, besonders 
wenn die farbigen Muster noch mit Goldfäden durchwirkt werden. 
Nun können sie als Teppiche den Boden, als Decken die Tische, als 
Gardinen die Bürgerhäuser schmücken, um die Lichtfülle der Zimmer 
zu dämpfen. Solche Gewebe hilft die Neiße bei Ostritz bereiten 
und fügt damit der Flachsspinnerei bei Hirschfelde einen zweiten 
wichtigen Erwerbszweig der Lausitz zu. Wir halten daher fest, 
daß an ihrem linken Ufer die Oststadt Sachsens liegt, 
welche den größten Marktplatz der Lausitz, eine katholische 
Kirche, eine protestantische Schule und Kirche, eine Inte- 
spinnerei und Kruzifixe auf den Höhen besitzt. 
6. Ist dann die Neiße vollständig in die Niederung getreten, 
so nimmt sie jenseits der Landesgrenze die Pließnitz auf. An ihr 
gehen wir zurück, um im Gebiete dieses Nebenflusses noch einen 
zweiten kleinen Ort Sachsens kennen zu lernen, der in Geschichte 
und Bedeutung doch zu den größten unseres Vaterlandes gehört. 
Vor 180 Jahren lag an der linken Pließnitzseite, etwa 10 km 
südöstlich von Löbau, ein wasser= und sumpfreiches Waldgebiet. Nur 
der niedere Hutberg (364 m) wölbte sich als greifbare Landes 
marke aus der feuchten Wiesen= und Waldlandschaft auf. Den 
Grund und Boden am Hutberge schenkte Graf Ludwig von Zinzendorf 
vertriebenen böhmisch-mährischen Brüdern, die hier eine neue Heimat 
fanden. Jetzt erklang die Axt im Walde (17. Juni 1722), die 
Stämme fügten sich zum Stein, ein Wohnhaus entstand neben dem 
andern, das einfache Bethaus erhob sich am Markte: der Ort 
Herruhnt (1½/A T.) war gegründet. Welch schmucker Ort ist heute 
aus dieser Ansiedelung geworden! Nette Häuser, von Gärtchen um- 
geben, schließen sich zu reinlichen Straßen zusammen. Die Haus- 
türen sind geschlossen; denn die Familien meiden den Lärm der 
Straßen und die rauschenden Vergnügungen der Welt. Täglich ruft 
sie das Glöcklein in den einfach getünchten Betsaal, in dem die 
Brüder und Schwestern der Glaubensgemeinde auch das Liebesmahl 
halten. Einfache Grabplatten decken die Grüfte auf dem Gottesacker, 
geben nur Namen, Geburts= und Sterbetag der Toten an und sind 
beredte Zeugen von der Verbreitung der Gemeinde auf unserem 
Erdballe. Denn die Herrnhuter bilden eine besondere Religions- 
gesellschaft unseres Landes mit einem Bekenntnisse, das unserem 
lutherischen verwandt ist. Die Verwaltung der Gemeinde liegt in 
den Häuden der Altesten, die in dem nahen Berthelsdorf ihren 
Sitz haben. Die geistliche Leitung übernimmt der erste Prediger, 
der den Namen Bischof führt. Unverheiratete oder verwitwete 
Brüder oder Schwestern wohnen in besonderen Häusern und 
arbeiten im Dienste der Gemeinde. Bei festlichen Gelegenheiten 
tragen die Mädchen dunkelrote, die Jungfrauen rosenfarbene, die
	        
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