— 55 —
werden uns doch die angeführten Beispiele zeigen,
daß die deutsche Bevölkerung erst nach der slavischen
im Gebirge vorgedrungen ist, sie inselartig umschlossen,
manchen slavischen Laut in die Mundart mit auf-
genommen und der deutschen Zunge angepaßt und sie
nach und nach aufgesangt hat.
2. Die erste Besiedelung des Gebirges ist jedenfalls durch-
Holzfäller und Kohlenbrenner erfolgt, die von der Niederung
her in den Gebirgswald vordrangen. Ihnen folgten Viehzüchter
und Wiesenbauer nach, um im einsamen Tale oder auf freier Höhe
ihre Einzelgehöfte zu erbanen, die sich nach und nach an den Ufern
eines Baches zu Dorsschaften gruppierten. Als aber in der zweiten
Hälfte des 12. Jahrh. in verschiedenen Gegenden des Gebirges
Silberaubrüche erfolgten, ergossen sich ganze Schwärme der deutschen,
welschen und nordischen (Schotten) Bevölkerung in die Gebirgs-
wildnis, um die Dörfer zu Städten zu erweitern oder neue Orte
zu gründen. Zur Sicherung der erworbenen Schätze wurden auf
den Höhen des Gebirges trotzige Burgen errichtet. An der
unteren Müglitz erhob sich die altböhmische Burg Dohna, an der
oberen aber der deutsche Lauen= und der Bärenstein. Zwischen
der Gimmlitz und Bobritzsch sollte Frauenstein, zwischen der
Flöha und der östl. Mulde aber Sayda den Grenzübergang nach
Böhmen schützen. An der Zschopan mußten Wildeck, an der
w. Mulde Stein und Hartenstein die Furten der Flüsse decken.
Neben diesen Burgen der Ritter erstanden bald auch die geistlichen
Burgen der Kirche, die Klöster, im Gebirge. Als eins der
ältesten haben wir das Augustinerkloster zu Zell-Maria bei Aue
schon erwähnt. Selbst kleinere Gebirgsorte, wie Wolkenstein
oder Grünhain, erhielten ihre Klöster. In größere Städte aber,
wie nach Freiberg, wurden sogar mehrere verlegt. Ein zweite,
noch stärkere Flutwelle der deutschen Eimvanderung schlug um das
Jahr 1500 in das Gebirge. Uberall schossen dentsche Städte an
den Bergen auf, sei es nun, daß sie sich an den Kern eines vor-
haudenen Dorfes anlehnten, oder sei es, daß sie sich ohne weiteres
an den Fuß der erzhaltigen Höhen und in die Falten des Gebirgs-
rückens legten. Wurde eine solche Gebirgsstadt um den Mauerring
einer Burg gefügt, dann scharten sich die Bewohner, durch die
Unebenheit des Bodens gezwungen, in schmalen und krummen
Gassen um die Feste. Wurde sie hingegen durch die gleichzeitige
Ansiedelung größerer Massen in freiem Felde infolge glücklicher
Erzfunde ins Leben gerufen, so strahlen die gleichlanfenden Straßen
(Marienberg) wohl regelrecht vom Vierecke des Marktes aus. Eine
stärkere Bevölkerungszunahme aber machte sich im 19. Jahrh. von
neuem im Gebirge geltend, nachdem die Industrie mit ihren
vielartigen Beschäftigungsformen in die Täler eingedrungen war.
Dorf und Stadt entfalten nun nicht bloß durch großartige Fabrik-
anlagen, sondern auch durch die Neubauten der Bürger= oder