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manchen Stellen nur ein ärmliches Steppenland vor uns zu haben.
Statt der erhabenen Berge des Erzgebirges treffen wir hier nur
niedere Höhenfalten, die es wie Meereswellen meist von W. nach O.
durchziehen. Statt herrlichen, harzduftenden Tannenbeständen der
Mulde und Zschopau begegnen wir hier nur kleineren Gruppen von
Birken- und Hasel-, Erlen- und Eichengebüsch. Statt der frisch be-
lebten Bergwasser, die schänmend durch die Täler stürzen, finden
wir nur träge Wasserläufe, die nach fröhlicher Jugendzeit in den
Bergen hier in der Niederung matt und gealtert erscheinen. Kaum
ist die Zwickauer Mulde oder die Zschopan in dem tiefen und
breiten Bette innerhalb des Beckens wieder zu erkennen! Und statt
der frischen, buntblumigen Bergwiesen breiten sich hier nur dürftige
Grasflächen (bei Wüstenbrand) aus, von Gräben durchzogen und
von kleinen Teichen durchsetzt, an denen eine einsame Mühle steht.
Fast überall durchziehen einförmige Ackerfurchen das Becken. Aber
wenn der Pflug den Boden schneidet, da wendet er oft eine rötliche
Scholle um. An Stelle der Baumriesen ragen mächtige Schornsteine
aus dem Becken auf. Dunkle Rauchmassen quellen aus dem Munde
derselben, legen sich über die Flur und verhüllen des Himmels Blau.
An dem Fuße derselben aber senkt sich eine Grube in den Erden-
grund, die uns einen Blick in die finstere Tiefe verstattet. Und in
der Nähe der Schornsteine stehen an den Straßen schlichte, einförmige
Häuser. Die kahlen Fenster, denen Gardinen oder Vorhänge fehlen,
verraten, daß arme Leute hinter ihnen wohnen. Nur in der Nähe
der Städte erblicken wir auch größere Dörfer, deren Straßen bereits
mit Gas beleuchtet werden, deren Gehöfte reiche Blumen= und Ge-
müsegärten umziehen, und deren Herrenhäuser unsern Villen gleichen.
Das sind die Häuser der „Goldbauern“, die in dem Becken neben
den Hütten der Armen wohnen, sowie in der Landschaft die reizlose
Beckennatur neben der reizvollen Gebirgsnatur liegt. Niedere
Höhen, einzelne Büsche, dürftige Wiesen, gleichmäßige
Ackerfurchen, langsame Flüsse, hohe Schornsteine, kahle
Häuser und reiche Dörfer bestimmen also die Außenseite
des Beckens.
4. Und Armut und Reichtum liegen in dem Becken auf der
Oberfläche nicht bloß neben--, sondern, seinem inneren Baue
entsprechend, auch unter einander. Um diesen Bau des erzgeb.
Beckeus zu verstehen, denkt euch mehrere Schichten von verschiedener
Stärke, Färbung und Beschaffenheit in der Weise aufeinander liegend,
wie eine Anzahl Platten übereinander gelegt werden. Die oberste
Schicht, oft mehrere hundert Meter mächtig, besteht in der Regel
aus rundlichen Steinen, welche die Größe einer Walnuß oder eines
menschlichen Kopfes haben. Sie sind von dem benachbarten Gebirge
losgelöst und vom Wasser rundlich abgeschliffen worden. Sie werden
durch eine tonige, rötliche Erdart zusammengekittet, nach der die
ganze Schichtung den Namen „Rotliegendes“ erhalten hat, während
sie der Bergmann verächtlich als „Totliegendes“ bezeichnet. Warum