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die in der Stadt eine „goldene Westenzeit“ hervorriefen. Gegen-
wärtig aber webt sie namentlich Kleider= und Mäntelstoffe aus
Wolle oder Baumwolle, mit Seide gemischt. Dabei sucht sie durch
verschiedene Stärke des Fadens, durch neue Farbentöne des Garns,
durch Einwebung von Linien-, Ranken= oder Blumenmustern den
Stoffen eine wechselnde Schönheit zu geben, um sich allezeit den
Wünschen anzupassen, welche die Mode verschiedener Völker von
Jahr zu Jahr an die Fabriken stellt. Wenn ihr nun bedenkt, wie
schwankend der Geschmack der Käufer ist, ferner dazunehmt, wie
immer neue Fabriken ähnlicher Art innerhalb und außerhalb Sach-
sens entstehen, oder wie schnell ein Krieg einmal die Abnahme der
Stosfe unterbricht, so werdet ihr euch nicht mehr wundern, wenn
das Webgeschäft in Glauchau bald schwunghaft, bald flauer geht,
oder wenn die Zahl der Bewohner ein unsicheres Steigen oder Fallen
zeigt. So haben wir in Glauchau (25 T.) eine Stadt
gefunden, die früher besonders Tuch, Leinen und halb-
wollene Westenstoffe webte, jetzt durch Kunstweberei
aber vorzugsweise Stoffe für Damenkleider und
Mäntel erzeugt.
3. Die zweite Stadt, welche wir im westlichen Kohlenbecken auf-
suchen, ist Mecrane, die Nachbarin Glauchaus. Wir finden sie auf
unserer Karte nordwestlich von ihr an der sächsischen Landesgrenze.
Leicht ist es uns daher, die Bedeutung ihres Namens als „Grenz-
stadt“ einzuprägen. Der Grund und Boden dieses Ortes hebt und
senkt sich wie derjenige Glauchaus. Aber es fehlt ihm die frische
Belaubung der Gründe und das lebensvolle Grün, welches sich
in Gruppen und Kränzen zwischen die Häuserreihen windet. Auch
zwei Wasserfäden durchziehen den Ort wie in Glauchau. Aber es
fehlt ihnen die Klarheit und Fülle; es sind nur schwache Bäche, die
sich innerhalb des Ortes vereinigen und nach der Pleiße gehen.
Auch Villen besitzt die Stadt und einzelne Gartenhäuser. Aber sie
durchdringen den Ort nicht, wie bei Glauchau, sondern bilden mehr
einen Saum, der sich nach dem Bahnhofe der Stadt hinzieht.
Denn die eigentliche Stadt erscheint nur als eine düstere Masse ein-
förmiger, nüchterner Steinbauten, über die sich gegen hundert Fabrik-
schlote als Wahrzeichen des Ortes erheben. Den Wohnhäusern aber
fehlt die Anmut der Ausschmückung; sie sollen ja nur vorzugsweise
dem Wohnbedürfnisse der wachsenden Fabrikbevölkerung dienen. Den
Straßen fehlt die freie Flucht und breite Bahn; sie werden ja oft
genug durch hervorspringende, ältere Gebäude verengt. Mag nun
auch immerhin Meerane früher eine stattliche, wenigstens durch Tore
befestigte Stadt gewesen sein, die selbst vorübergehend einem Böhmen-
könige (Wladislaw 1174) zur Residenz diente, gegenwärtig ist
sie nur als Sitz einer schwunghaften Fabriktätigkeit
und feste Burg einer fleißigen, aber auch unruhigen
Spinner= und Weberbevölkerung bedeutsam, deren
Zahl diejenige Glauchaus fast erreicht (24 T.).