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Kleingewerbe treiben und daneben den Acker bestellen. Und neben
dem gewerblichen Kleinbetriebe hat sich an den rauschenden Wassern
ein vielartiges Großgewerbe angesiedelt, das Wolle spinnt, Papier
bereitet und Holz und Eisen zusammenfügt. An und auf den
Höhen aber liegen dicht neben einander kleinere Dorfschaften zerstreut,
die ihre Stroh= und Ziegeldächer hinter Obstbäumen verbergen und
die Gehöfte um die Kirche in des Ortes Mitte scharen. Hier hat
die Pflugschar den Webstuhl verdrängt und die Sichel die Spindel.
Der Banuer bestellt den Acker, füllt die Scheuer und weidet das
Rind auf der Wiese. Betend faltet er die Hände, wenn er sich
mit dem Gesinde an den Tisch setzt. „Bete und arbeite!“ ist die
Losung des Tages in den guten, alten Familien. Lange hat sich
das Leben der Bergbewohner in einfachen, schlichten Formen erhalten.
Jetzt aber, da fahrbare Straßen die versteckten Dörfer öffnen und
selbst der Dampfzug durch die stillen Orte braust, da landwirtschaftliche
Vereine und Schulen die lernbegierige Jugend wenigstens im Winter
tiefer ausbilden, tritt der Bauer Mittelsachsens immer mehr und
mehr aus seiner Beschränkung heraus, um in zweckmäßiger Weise
Feld-, Wiesen= und Viehwirtschaft zu treiben und sich den feineren
Formen des Lebens anzupassen. Dadurch wird zugleich die
Fruchtbarkeit des mittelsächsischen Bodens gesteigert, und
dieser wird zu einem ergiebigen Lande erhoben, das den
Wohlstand seiner Bewohner begründet.
Schlußzusammenfassung: Nun liegt das mittelsächsische
Bergland im Geiste vor uns. Der Granulit bildet einen elliptischen
Kern. Ein Doppelband von Ton= und Glimmerschiefer umkränzt
ihn. Ein Porphyrdreieck erweitert ihn nach N. hin. Feuer hat
den roten Porphyr gehoben, im Wasser haben sich die Blättchen
des Granulits gebildet, Eisströme haben Wanderblöcke herangeführt.
Die Berge wölben sich in einfachen Kuppen. Selten treten markierte
Formen auf. Täler schneiden ein und umhüllen die schönsten Partien.
In dem Wassergrabe wurde die Oberfläche tüchtig zerrieben. Berg
und Tal überzogen sich mit fruchtbarer Erde, die nun Gräser und
Kräuter, Getreide und Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse trägt.
Städte und Dörfer besetzen Niederungen und Höhen. Werkstatt und
Fabrik beschäftigen den Bürger. Scheuer und Viehstall bergen die
Reichtümer des Bauern. Das Ganze aber gibt ein gewinnendes
Bild, in dem sich Schönheit und Segen der Landschaft einen.
IV. Lehrdichtung: (Dialektprobe aus den „Klagen eines alten Bauern
über die moderne Zeit“ von W. Werner. Gampe, Mittweida.)
1. In d’ Schul' gingk damals nurr, wann's paßt
Unn meest'nds nurr in Winner,
Im Summer hatt'n mehr sue z'iun.
Die gräßten Bauersch-Kinner,
Die huth'ten selber ihre Küh'l;
Das paßt'n sreilich itz nich mih,
I# will e Jed's glei gräßzer.
D'rüm spräch ich: „Sinst woar'sch besser!"